Peter Inselkammer hat keine Wahl: Wird die Mehrwehrsteuer auf Speisen in der Gastronomie zum Jahreswechsel von sieben auf 19 Prozent angehoben, muss er reagieren. „Wir werden einen großen Teil der Erhöhung sehr wahrscheinlich auf den Gast umlegen müssen“, sagt der Wirt. In seinem Lokal „Ayinger am Platzl“ kostet der Schweinsbraten mit zweierlei Knödel gerade 16,90 Euro. „Mit 19 Prozent Mehrwertsteuer wären es 18,80 Euro“, rechnet er vor. Dass Gäste sofort ausbleiben, glaubt Inselkammer nicht. Trotzdem sorgt er sich: „Wir müssen uns generell fragen, wohin sich die Preise da gerade entwickeln.“
Die Schweinsbraten-Rechnung ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie sich die Rücknahme der Mehrwertsteuer-Ermäßigung in der Gastronomie auf den Gast auswirken könnte.Während der Corona-Krise war der Steuersatz für Restaurant- und Verpflegungsleistungen auf sieben Prozent gesenkt worden. Damit sollten Gastronomen in der Krise unterstützt werden. Die Regelung sollte Ende 2022 auslaufen, wurde aber nun nochmals bis Ende 2023 verlängert. So sollen die Belastungen der Branche durch die hohen Energiekosten abgefedert werden.
Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hat im Juli über 2000 Betriebe befragt. 96 Prozent gaben an, dass sie ihre Preise zum 1. Januar um über 15 Prozent anheben müssten, um die höhere Umsatzsteuer und die allgemein steigenden Kosten bei Energie, Waren und Personal zu decken. Weil letztere in Zeiten der Inflation massiv ausfallen, geht die Dehoga davon aus, dass die Preissteigerungen deutlich über 15 Prozent liegen würden. „Eine Mehrwertsteuer-Erhöhung um zwölf Prozentpunkte würde nicht nur einen Preisschock für Gäste bedeuten, sondern auch zu einem massiven Schaden für den ländlichen Raum und das Tourismusland Bayern führen“, erklärte Dehoga-Landesgeschäftsführer Thomas Geppert.
Und die Wirte haben noch mehr Grund zur Sorge: Sie kämpfen nach wie vor mit einem drastischen Fach- und Arbeitskräftemangel. Gioacchino Castronovo betreibt mit „Vi Vadi“ in München drei italienische Restaurants. Seit Jahrzehnten sei Personal schwer zu finden, aber seit Corona sei es extrem: „Früher blieben Servicekräfte über Jahre im Betrieb, heute steigen diese teilweise schon nach Tagen aus. Das macht sich durch viel Bürokratiearbeit bemerkbar.“ Barkeeper und Tellerwäscher seien am schwersten zu finden. Kellner und Köche rekrutiert Castronova teils aus der eigenen Familie.
Ein großes Problem sieht der Gastronom in den ständig steigenden Fixkosten. „Ich zahle allein für mein Restaurant an der Bayerstraße 10 000 Euro Pacht. Wenn ich dann noch mehr für Gehalt zahlen soll, kostet die Pizza schnell zwanzig Euro. Wer will das noch bezahlen?“
Der Münchner Wirt bietet seinem Personal aber Sonderleistungen: Er übernimmt die Kosten für Verpflegung und Wohnen – viele Mitarbeiter kommen nur für einige Monate aus Italien nach Deutschland. „Was sich als effektiv erwiesen hat, ist die Suche nach Leuten via Facebook. Gerade Italiener, die in München sind, kann man dadurch gut erreichen.“
Nikolaus Doerr ist Betriebsleiter vom „Bapas München“ und sieht das ähnlich: Er arbeitet seit 20 Jahren in der Branche und spürt den Fachkräftemangel im Küchen- und Barbereich. Online-Jobportale wie Indeed helfen bei der Suche, sind aber kostspielig. „Bis zu 1500 Euro zahle ich für Stellenanzeigen und sie lösen nicht das strukturelle Problem“, sagt er und wünscht sich von der Regierung eine Verlängerung des ermäßigten Steuersatzes von sieben Prozent für Speisen.
Personal einsparen will Doerr nicht: „Das sind zwar die höchsten Kostenblöcke, aber der enorme Anstieg von Grundkosten und Lebensmittelpreisen ist die langfristige Belastung“, fährt er fort. „Außerdem muss die Branche ihr schlechtes Image loswerden und die Arbeitsplätze attraktiver gestalten.“ Familiäre Arbeitsbedingungen und Bonuszahlungen sind bei ihm daher Grundvoraussetzung. Im „Bapas“ konnte Doerr sich daher langjährige Mitarbeiter auch während Corona halten.
Florian Egner, Chef im „Alten Wirt“ in Planegg, hatte während der Pandemie gravierende Probleme, Personal zu halten. Seit einem halben Jahr hat sich die Lage etwas gebessert. „Einige Servicekräfte konnte ich längerfristig binden“, sagt er. Köche sind aber schwer zu finden Der Mangel an Auszubildenden mache sich bemerkbar.
Die unattraktive Seite der Branche kennt Egner – und hat reagiert: „Es ist das generelle Wesen der Gastronomie, auch sonn- und feiertags und zu späteren Stunden geöffnet zu haben. Wir versuchen als Ausgleich, die Arbeitspläne so zu gestalten, dass Mitarbeiter nur jedes zweite Wochenende arbeiten müssen. Zudem erproben wir das Modell der Vier-Tage-Woche, was sehr gut angenommen wird.“