Bestes Business in kurzer Hose

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Heute Abend werde ich in Berlin sein, ich nehme eine Einladung der Deutschen Eishockey Liga an, sie feiert ihre bevorstehende 30. Saison, und dies geschieht in der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom. Auf der Einladung steht der diskrete Vermerk: „Dresscode: Business Casual.“ Ich nehme an, dass damit gemeint ist: Man soll weiße Sneaker tragen, weil das derzeit alle tun, die von sich glauben, an irgendwelchen relevanten Geschäften zu schrauben. Es könnte am Einlass zu den heiligen Telekom-Hallen also spannend werden, meine Alltagsturnschuhe (Übersetzung von Sneaker) sind nämlich blau. Aber ich werde mich bemühen, den Vorgaben des Gastgebers halbwegs gerecht zu werden – und wenigstens eine lange Hose tragen.

Denn mein Business Casual ist die kurze Hose. Zumindest von Anfang Mai bis Mitte September, ganz wenige Tage ausgenommen. Ich vergesse in diesen Monaten immer, welche „normalen Hosen“ ich noch besitze und bin dann angenehm überrascht, wenn es herbstelt, was ich alles im Schrank habe. Bilanzierend für 2023 kann ich sagen: Danke, München, es war/ist ein guter Sommer. Denn auch für die gelegentlichen Gewitteranfälle erwiesen sich die Shorts als das zweckmäßige Beinkleid: Es wird einfach viel weniger Stoff unbrauchbar nass. Und wenn’s heiß ist: nichts verklebt.

Kurzum: Gegen die Kurze ist nichts einzuwenden. Sie ist das Symbol unserer jahreszeitlichen Freiheit, sie ist eine Reminiszenz an die Kindheit, als wir zwei Wochen Pfingst- und sieben Wochen Sommerferien hatten und nicht auf 30 Tage Urlaub eingeschränkt waren. Sie steht, wenn wir noch einen Moment in der Schulzeit verweilen, für das Gefühl jener Tage, in denen die Noten schon fix waren und man sattsam zufrieden der baldigen freien Zeit entgegentrudelte. Heute kann man zudem sagen: Ein gut belüftetes freies Bein schafft ein Wohlbefinden, in dem auch die Gedanken sich von Luft umspielen lassen – und für kreative Berufe ist das ein Bonus. Selbstverständlich entsteht diese Kolumne gerade, während ich eine kurze Hose im Stil „Regular Bermuda“ (so steht es auf dem Waschetikett) trage.

Die kurze Hose hat 2023 in München den Durchbruch geschafft, sie ist das Kleidungsstück des Jahres, denn: Erinnern Sie sich an jenen bewegten Tag, als der FC Bayern den 100-Millionen-Mann Harry Kane verpflichtete: Man holte ihn mit einem Privatflieger aus London ab, fuhr ihn in einer Limousine zu ersten Terminen in München, war mit ihm spät nachts auf der Geschäftsstelle, wo der Vertrag unterschrieben wurde. In diesen Stunden trug Kane, der mehr verdienen wird als alle Münchner DAX-Vorstände zusammen, eine schlichte kurze Hose. Und was für ein Business er darin machte. Multimillionen – ganz casual.

Kane-Verehrer kaufen sich fälschlicherweise sein Trikot. Dabei ist die Hose, die kurze, das Geheimnis seiner Magie.

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