Die deutsche Automobilindustrie mit ihren mehr als 750 000 Mitarbeitern sei ein „zentraler Treiber des Aufbruchs“ in Richtung einer nachhaltigen Zukunft, sagte der Bundeskanzler zu Beginn der IAA. Sie mache Mobilität „attraktiver, leistungsfähiger und schöner“. Scholz betonte mit Blick auf die Konkurrenz insbesondere aus China, die Wettbewerbsfähigkeit des Autolandes Deutschland stehe „völlig außer Frage“. Es sei kein Zufall, dass in Europa fast jedes zweite und in China fast jedes fünfte Auto von deutschen Herstellern komme. Er erwähnte auch Investitionen des Staates in Schienen, Straßen und Brücken, Glasfaserleitungen, Ladesäulen oder Wasserstoffnetze.
Der Kanzler kündigte für die kommenden Wochen ein Gesetz an, das Tankstellenbetreiber dazu verpflichte, schnelle Lademöglichkeiten für Elektroautos zur Verfügung zu stellen. Wegen des „beherzten“ Ausbaus der erneuerbaren Energien stellte er sinkende Strompreise sowie eine verlässliche Versorgung mit Rohstoffen in Aussicht. Die Regierung wolle den Automobilstandort mit „guten, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen“ auch weiterhin stärken. Mit humorvollem Blick auf seine Augenklappe sagte er: „Das Wochenende hat mir auch ganz persönlich gezeigt: So schön Joggen ist, für manche Strecken nimmt man doch besser das Auto.“
Schon vorher war die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger Thema auf einem Forum, bei dem Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz mit der Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sprachen. Spohr nahm dabei die Deutsche Bahn aufs Korn. Der Flughafen München etwa sei bis heute nicht ans DB-Fernverkehrsnetz angeschlossen. Reisende wollten nicht mit ihren Koffern unnötig oft umsteigen und wählten wo möglich bequemere Alternativen. Für die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger brauche es eben auch die erforderliche Infrastruktur.
DB-Vorstandsmitglied Michael Peterson räumte ein, dass die Bahn angesichts der wachsenden Nachfrage überlastet sei und es zu viele Störungen gebe. „Wir haben über Jahrzehnte zu wenig in Infrastruktur investiert.“ Umso mehr begrüße er, dass die Bundesregierung jetzt viel Geld dafür bereitstelle: Nach der schrittweisen Erneuerung des Netzes werde die Bahn in zehn Jahren eine viel bessere Infrastruktur haben. Hollywood-Star Natalie Portman, die dann auf die Bühne kam, hat sich bereits mehrfach für mehr Klimaschutz eingesetzt – und warb auch in München dafür: „Wir müssen den Kampf um Nachhaltigkeit gemeinsam angehen.“ VDA-Chefin Müller sagte derweil, die deutsche Autoindustrie investiere in den kommenden Jahren 250 Milliarden Euro in die Mobilität, die Digitalisierung und „die neue Mobilität“, alleine 130 Milliarden in den Umbau von Werken. Das sei „ein starkes Signal“.
Auf der IAA präsentieren 750 Unternehmen aus 38 Ländern bis Sonntag ihre Produkte. Schwerpunkte sind Klimaschutz, nachhaltige Mobilität und nachhaltige Antriebe sowie Digitalisierung. Erwartet werden rund 700 000 Besucher auf dem Messegelände Riem und auf Veranstaltungen in der Innenstadt.
Begleitet wurde die Messe auch gestern von Protesten. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac demonstrierte für eine rasche Verkehrswende in Deutschland und einen Umbau der Autokonzerne. Deren Produkte müssten „zu einer sozialen und klimagerechten Transformation der Mobilität“ beitragen. Greenpeace störte den Rundgang von Kanzler Scholz. Am BMW-Stand warteten drei Aktivisten mit Bannern mit der Aufschrift „The Party is over“. An Kritiker und Klima-Kleber richtete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der Bühne aus den Appell: „Ich glaube, dass es schlauer ist, die Probleme der Zukunft mit Hirn als mit Leim zu lösen.“