Meeega Verkleidung für die Wiesn

von Redaktion

MATTHIAS KIEFERSAUER

Am Samstagvormittag wird Panik in mir aufkeimen. Der Oberbürgermeister trägt dann schon diese grüne Metzgerschürze, die in Fachkreisen (also: von allen außer mir) Schaber genannt wird. Er hält Schlegel und Wechsel in den Händen (für mich: Bierfass-Hammer und Zapfhahn), schwingt sie durch die Lüfte, als müsse er das Fass, das so unschuldig vor ihm steht, zertrümmern. Um 12 Uhr wird angezapft. Und ich habe ich es schon wieder nicht geschafft, mir eine neue Lederhosn zu kaufen. Ein ganzes Jahr lang habe ich versagt. Das kann in München sonst nur Sadio Mané von sich behaupten.

Meine Lederhosn jedenfalls ist ein Erbstück. Der Vorbesitzer trug sie mit Stolz, bis sie ihm zu eng wurde. Das war allerdings schon in den frühen Achtziger-Jahren, in einer Zeit also, an die sich nicht einmal der Bruder von Hubert Aiwanger erinnern kann. Trotzdem war meine Lederhosn, frei nach Heidi Klum, immer meeeeega als Verkleidung für die Wiesn. Dass es Zeit wird für eine neue Lederhosn, verstand ich letzten September. Damals beschrieb ich einer Frau, die als Verkäuferin in einem anerkannten Eglinger Trachtengeschäft arbeitet, meine Lederhosn. Sie lächelte sehr freundlich, aber als ich das Wort „Kniebundhose“ fallen ließ, zuckte sie kurz zusammen. Auch wenn sie das sofort zu überspielen versuchte – ich ahnte, dass etwas nicht stimmt mit meiner Lederhosn. Ich begab mich auf eine Recherchereise, drei Stationen weit mit dem 58er-Bus und von dort kreuz und quer durch die berühmteste Zeltstadt der Welt. Die Wahrheit kam ans Licht: Von den 5,7 Millionen Wiesn-Besuchern im Jahr 2022 war ich der Einzige mit einer Kniebundhose. Das ist zweifellos ein Alleinstellungsmerkmal, aber kein schönes, in etwa so, als wäre man der einzige Depp weit und breit.

Was macht man da jetzt? Kurzfristig nach Egling fahren? Oder zu diesem Lederhosnverleih mit dem englischen Namen, der so verdächtig nach falschen Trachten klingt? – Wieder einmal merke ich: Fußballprofi müsste man sein. Da hat man zwar wenig Spaß auf der Wiesn (kein Alkohol und 5,7 Millionen Bundestrainer um einen herum). Aber dafür wird man kurz vor der Wiesn mit Lederhosn beworfen, ob man will oder nicht. Selbst am Spieltag muss man sogenannte Wiesn-Trikots tragen. Aber realistisch bedacht sind die auch nicht gerade schön. So gesehen tut’s meine alte Kniebundhose auch noch.

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