Die Wiesn wird zur Wahlkampfarena

von Redaktion

Markus Söder bricht mit guter Tradition, Grünen-Referentin sorgt für Eklat

VON KLAUS VICK

So ganz genau nahm es Markus Söder (CSU) dann doch nicht mit dem ungeschriebenen Gesetz, dass die Wiesn eigentlich wahlkampffreie Zone ist. Kurz vor dem Anstich zum Oktoberfest am Samstag im Schottenhamel-Zelt posaunte der Ministerpräsident am BR-Mikrofon in die Menge, die „Gastrosteuer“ dürfe auf keinen Fall erhöht werden. Das kam natürlich gut an. Und die anfänglichen Pfiffe wandelten sich plötzlich in tosenden Applaus. Schon zuvor hatte Söder in Stadionsprecher-Manier den 6000 Festgästen im Schottenhamel zugerufen: „Habt ihr Lust auf die Wiesn?“ Da weiß einer, was das Volk gerne hört.

Münchens OB Dieter Reiter (SPD) nahm den steuerpolitischen Exkurs des Ministerpräsidenten unterdessen gelassen: „Ich kann damit leben“, sagte er. Söder sei „im Wahlkampftunnel“ und habe das wohl nicht ganz ausblenden können. Der OB hatte um Punkt 12 Uhr das erste Fass zum 188. Oktoberfest angezapft – zum wiederholten Male in meisterlicher Manier mit nur zwei Schlägen. So gelassen, wie er sich beim Anstich gab, sei er am Morgen aber nicht gewesen, verriet Reiters Frau Petra.

Oben auf der Empore der Ratsbox versammelte sich Prominenz aus Politik und Gesellschaft. Gekommen war etwa Reiters Parteigenosse Lars Klingbeil. Der Bundesvorsitzende der SPD wollte schon im Vorjahr mit dabei sein, damals aber wurde sein Flug nach München gestrichen. Er sei immer gerne auf dem Oktoberfest, sagte Klingbeil: „Ich mag das Flair.“ Am Vorabend hatte der SPD-Chef zusammen mit dem OB das Bundesligaspiel des FC Bayern gegen Leverkusen besucht. Der Niedersachse ist bekennender Bayern-Fan. Das Thema Corona spielte am Samstag bei Kaiserwetter so gut wie keine Rolle mehr. 2022 war das noch anders, als Unsicherheit herrschte, ob das Virus den Verlauf des Oktoberfests nicht negativ beeinflussen könnte. Reiter: „Ich gehe von einer ganz normalen Wiesn aus.“

Normal ist aktuell nichts, was mit Hubert Aiwanger zu tun hat. Natürlich war der ungekrönte Bierzeltkönig am Samstag da. Warum sollte er sich auch gerade das Münchner Oktoberfest entgehen lassen, wo er doch aktuell auf nahezu jedes Volksfest im ganzen Bayernland tingelt? Der durch die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt in die Kritik geratene Wirtschaftsminister hatte in der Ratsbox am Tisch der Freien Wähler Platz genommen – in gebührendem Sicherheitsabstand zu OB Dieter Reiter (SPD) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der grußlos an seinem Vize-Regierungschef vorbeischritt.

Aiwanger sagte, er sei auf der Wiesn von den Menschen noch freundlicher empfangen worden als im Vorjahr. Reiter wiederum erklärte, er kenne viele Menschen, „die einen großen Bogen um Aiwanger machen“. Alles eine Frage der Wahrnehmung.

Einen Eklat gab es dann doch, der sich – wie so oft in diesen Zeiten – hauptsächlich in den Sozialen Medien abspielte. Die städtische IT-Referentin Laura Dornheim, Parteimitglied der Grünen, postete auf Instagram am Samstagmittag von sich ein Foto mit dem Satz: „Nächstes Jahr pack ich mir nen ,Nazis raus’-Button ans Dirndl.“ Im Hintergrund war Hubert Aiwanger zu sehen. Sie habe das spontan gemacht – und stehe dazu, sagte Dornheim unserer Zeitung.

Während sich Aiwanger von der Kritik unbeeindruckt zeigte, war der OB wenig erbaut von der Schärfe der Formulierung: „Auch für Referentinnen gilt, dass die Wiesn eine politikfreie Zone ist“, so Reiter. Den Kontakt mit Aiwanger hatte übrigens auch Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) bewusst gemieden. Sie saß anfangs am Tisch der Freien Wähler, stand aber auf, als der Wirtschaftsminister kam. Der entkorkte später noch in „Bodo’s Cafézelt“ mit der fränkischen Weinkönigin eine Flasche.

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