Die Überraschung kommt am späten Nachmittag. „Wir haben festgestellt, dass das Lärmschutzgutachten fehlerhaft ist“, heißt es auf unsere Recherche hin vonseiten der MVG. Es werde überarbeitet. Die neue Version sei dann Grundlage für den Lärmausgleich. Am Vormittag hatten der Bogenhauser Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU) und Rechtsanwalt Benno Ziegler dargelegt, warum sie den Antrag auf Planfeststellung für rechtswidrig halten. Gravierendster Vorwurf: „Das Lärmschutzgutachten berücksichtigt die Vorbelastungen durch die angrenzende Bahnstrecke nicht.“
Schon die heutige Lärmbelastung sei in den Unterlagen „entweder vergessen oder einfach ausgeblendet“ worden, schimpfte Brannekämper. Anwalt Ziegler, der die Eigentümergemeinschaft aus der Freischützstraße 82–84a vertritt, hat die eingereichten Unterlagen von einem anerkannten Sachverständigen für Lärmimmissionsschutz nachprüfen lassen. In diesen Unterlagen war das von den Stadtwerken beauftragte Ingenieurbüro zum Schluss gekommen, dass für die Wohngebäude an der Freischützstraße derzeit keine relevante Geräuschbelastung vorhanden ist. „Dies ist nicht nachvollziehbar, da sich doch nur 50 Meter weiter östlich die S-Bahnstation Johanneskirchen in Sichtweite befindet“, so Zieglers Sachverständiger. Die erhebliche Geräuschvorbelastung sei im Schallgutachten beziehungsweise in den gesamten Planfeststellungsunterlagen gar nicht thematisiert worden. Nicht nur, dass die Immissionswerte nicht eingehalten würden, es werde auch die definierte Schwelle der Gesundheitsgefährdung erheblich überschritten. Ganz zu schweigen davon, dass auf dieser Bahntrasse künftig nahezu der gesamte Güterverkehr zwischen München und Italien, also der Brennerzulaufstrecke, abgewickelt werden soll. Möglichkeiten und Wirksamkeit von aktiven Schallschutzmaßnahmen seien nicht mal geprüft worden. „Ein ganz entscheidender Mangel der schalltechnischen Untersuchung“, so das Fazit.
„Eine unfassbare Geschichte“, findet Ziegler und hat weitere Fehler gefunden. „Das Verkehrsbedürfnis fehlt, da der heutige Bus nur zu 25 Prozent ausgelastet ist.“ Zudem verlängerten sich die Umsteigezeiten und -wege. Letztere von bislang etwa 20 Metern von der Bushaltestelle auf rund 160 Meter von der Tram-Endstation.
Brannekämper ärgert, dass Stadt und Stadtwerke kommende Woche mit Baumfällungen und der Verlegung von Wasser-, Fernwärme-, Telekommunikations- und anderen Leitungen Fakten schaffen wollen, obwohl das Planfeststellungsverfahren noch läuft. Für die 700 Meter lange Anschlussstrecke von der Cosimastraße zum Bahnhof Johanneskirchen müssen 150 Bäume gefällt werden. Im Gegenzug verspricht die MVG rund 230 neue Bäume. „Da beides von den Stadtwerken explizit als Teil der Maßnahme beschrieben wurde, ist das im Vorfeld rechtswidrig.“ Die MVG bestreitet dies. Für den Planfeststellungsbescheid sei nur die eigentliche Gleisbaumaßnahme relevant.
Die Neubaustrecke, die von der bestehenden Linie nach St. Emmeram abzweigt, soll im Dezember 2025 in Betrieb gehen. Die Wohnungseigentümer an der Freischützstraße protestieren bereits seit vergangenem Jahr gegen das Projekt, weil sie erhebliche Belastungen befürchten. Man habe bereits eine ausreichende Nahverkehrsanbindung. Brannekämper hat nun den Präsidenten der Regierung von Oberbayern eingeschaltet. Er soll die Stadt anweisen, sich ans Gesetz zu halten und vorerst keine Maßnahmen zuzulassen.