Als habe jemand einen Zauberstab erhoben und magische Worte gemurmelt – so sehr hat vor mittlerweile 25 Jahren Harry Potter die ganze Welt verhext. Kinder und Erwachsene aller Nationen zog die Autorin Joanne K. Rowling in den Bann des Zauberschülers. Und sie hatte sich in ihren Romanen auch eine ganz spezielle Sportart ausgedacht: Quidditch. In der Harry-Potter-Welt mindestens so beliebt wie Fußball in Deutschland, jagen die Zauberer dabei auf ihren Besen über ein Spielfeld und werfen Bälle durch drei Ringe. Gewinner ist (meist) der, der den Schnatz fängt – eine fliegende goldene Kugel.
Klingt magisch? Schon, aber Quidditch gibt es tatsächlich in echt – und sogar in München. Die „Münchner Wolpertinger“ nennen sich die Quidditch-Spieler. Es ist die jüngste Abteilung des Sportvereins PSV München in Moosach. „Unser Sport ist eine Art Mischung aus Handball, Rugby und Dodgeball, also Völkerball“, erklärt Laura Brand (29), die Leiterin der Abteilung Quidditch. „Es geht um Tore werfen, Spieler abwerfen mit allem, was dazu gehört.“ Wie beim Rugby geht’s mit „Vollkontakt“ zur Sache, da wird getackelt, gerungen mit vollem Körpereinsatz. „Für Zuschauer schaut unser Sport chaotisch aus“, lacht Laura Brand, die im Alltag für ein Kosmetikunternehmen arbeitet. „Es sind viele Bälle im Spiel, und es geht alles sehr schnell.“
Und so läuft’s genau: Zwei Mannschaften mit je zunächst sechs, dann sieben Spielern (immer Frauen und Männer gemischt.) spielen gegeneinander. Drei Jäger werfen sich den Quaffel, einen Volleyball, zu, und versuchen, ihn durch einen von drei Ringen der gegnerischen Mannschaft zu werfen – das gibt zehn Punkte pro Tor. Der vierte Jäger, der Hüter, verteidigt die Ringe. Währenddessen versuchen zwei Treiber, mit Klatschern (Völkerbällen), gegnerische Spieler abzuwerfen, also „auszuknocken“. Und nach 20 Minuten kommt tatsächlich der Schnatz ins Spiel. Aber keine fliegende Kugel, sondern ein Mensch, der einen Tennisball in einer Art Socke an seinem Hosenbund stecken hat. Der Sucher macht Jagd auf diese Socke… Einmal Schnatz fangen, heißt: 30 Punkte. Ein Spiel dauert meistens 25 Minuten.
Um bei all den Attacken und Bällen den Überblick zu behalten, sind fünf Schiedsrichter nötig. Und weil es ein verletzungsanfälliger Sport ist, schützen sich die Spieler mit einem Zahnschutz. Klar: Wenn Knochen gebrochen sind (erinnern Sie sich an Harrys Gummiarme im Band „Die Kammer des Schreckens“?) gibt es in echt halt keine Zaubertränke, die alles über Nacht wieder heilen…
Ach ja – und das Wichtigste: Der Besen? Den gibt es tatsächlich auch. Die Spieler laufen mit PVC-Stangen zwischen den Beinen übers Spielfeld. „Das ist sozusagen unser Handicap“, erklärt Laura Brand. „Damit es nicht zu leicht wird. Wie beim Basketball, wo man mit dem Ball nur eine gewisse Zahl von Schritten gehen darf.“
Erfunden haben das „Echte-Menschen“-Quidditch übrigens Collegeboys aus den USA, die Joanne K. Rowlings Sport ins echte Leben übertragen wollten. Aber: Kindisches Nachspielen einer für ein Kinderbuch erfundenen Zauber-Sportart, ist das Münchner Quidditch wirklich nicht, betont Laura Brand: Für die „Münchner Wolpertinger“ ist es einfach ein cooler, anspruchsvoller Sport. „Mit Zauberei wie bei Harry Potter hat Quidditch rein gar nichts zu tun. Es ist ein sehr taktischer Sport, sehr körperlich. Nichts für Zartbesaitete.“ Sie selbst hat Harry Potter sogar weder gelesen, noch mag sie die Filme. „Ein Freund hat mich vor einigen Jahren überredet, mal beim Training vorbeizuschauen, dann hat es mir gefallen.“ Was sie besonders gut findet, ist, dass das Team sehr international ist: „Deutsche, aber auch Spieler aus Kanada, Norwegen, Indien und USA sind im Team.“ Teilweise seien es Studenten, aber nicht mehr die Mehrheit. „Der Altersschnitt liegt bei 27 Jahren.“
In Deutschland gebe es aktuell etwa 50 Teams, sie spielen bei nationalen und internationalen Turnieren gegeneinander. Im Juli etwa fand in München das Deutsche Pokalturnier statt – die Münchner landeten auf Platz 1. Auch bei der Quadball-Weltmeisterschaft (wie Quidditch zunehmend genannt wird) in Amerika waren drei Münchner im Kader. Germany wurde Zweiter hinter den USA.
Übrigens: Etwas hat das Münchner Quidditch dann doch noch mit Harry Potters Zauberer-Sport zu tun: Auf Wetterbedingungen wird keine Rücksicht genommen. Gespielt wird draußen – da sind Zauberer und Wolpertinger eben hart gesotten! Letztere auch ganz ohne Zauberstab… ANDREA STINGLWAGNER