Von einem Karriereknick kann man wohl nur politisch sprechen. Ansonsten eher von einer Neuorientierung beruflicher Natur. Als Katrin Habenschaden gestern ankündigte, ihr Amt als Bürgermeisterin „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ niederzulegen, machte beinahe zeitgleich die Deutsche Bahn öffentlich, dass sie die Münchnerin zur neuen Leiterin Nachhaltigkeit und Umwelt ernannt hat. Zum 1. Dezember soll die Betriebswirtin ihren Job aufnehmen. Bahnchef Richard Lutz ließ am Mittwoch verlauten: „Mit ihr gewinnen wir eine erfahrene und begeisterte Nachhaltigkeitsexpertin.“
Habenschaden ist ausgebildete Bankkauffrau. Sie arbeitete lange Jahre bei der Sparkasse. Im Jahr 2009 trat sie den Grünen bei und wurde im Mai 2014 in den Stadtrat gewählt. Seit Mai 2018 war sie die Vorsitzende der Stadtratsfraktion der Grünen/Rosa Liste. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2020 erhielt sie 20,8 Prozent der Stimmen und verfehlte damit knapp die Stichwahl. Seit 2020 ist sie in München Zweite Bürgermeisterin. Habenschaden lebt in Aubing, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Die Grünen-Politikerin erklärte gestern, die Entscheidung, das Amt niederzulegen, sei ihr sehr schwergefallen. „Die vergangenen dreieinhalb Jahre für die Münchnerinnen und Münchner arbeiten zu dürfen, war ein Privileg und hat mir große Freude gemacht.“ Sie habe dieser Aufgabe alles andere untergeordnet. In den vergangenen Monaten habe sie jedoch gemerkt, „dass die Belastung durch die öffentliche Rolle Spuren hinterlassen hat“. Gesundheitlich, muss man hier wohl hinzufügen. Das Amt nur mit reduziertem Engagement auszufüllen, komme für sie aber nicht infrage. Im neuen Job bei der Bahn könne sie sich auch ihren politischen Kernthemen widmen. „Die ökologische Transformation der Bahn zu konzipieren, ist eine Herausforderung, auf die ich mich sehr freue. Die neue Aufgabe ist weit weniger öffentlichkeitswirksam, bietet aber die große Gelegenheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie die Mobilitätswende deutschlandweit voranzubringen.“
Dabei bestand bis zuletzt kein Zweifel daran, dass Habenschaden 2026 für das OB-Amt kandidieren würde. Allerdings haben sich die Voraussetzungen dafür geändert. Habenschaden galt lange Zeit als Favoritin, ehe die Staatsregierung die Altersgrenze für Kommunalämter kippte und Amtsinhaber OB Dieter Reiter (SPD) – er ist 65 Jahre alt – nun noch einmal antreten will. Habenschaden wäre also wieder Außenseiterin. Auch ein Beweggrund, sich zurückzuziehen?
Von der Rücktrittsnachricht wurden jedenfalls viele überrascht, auch die eigene Partei und OB Dieter Reiter sollen erst kurzfristig informiert worden sein. Reiter sagte, er bedauere die Entscheidung, respektiere den Schritt aber. Er bedanke sich „für die langjährige, immer konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Auch die grüne Stadtpartei reagierte mit „Bedauern und Respekt“. Der Vorsitzende Joel Keilhauer sagte: „Ein München, das weltweit Vorbild ist – nachhaltig, sozial gerecht, weltoffen, bunt und modern. Dafür steht Katrin Habenschaden und dafür hat sie immer 100 Prozent gegeben.“
Wer aus der grünen Stadtratsfraktion Habenschaden nun als Bürgermeisterin nachfolgt, ist noch unklar. Ebenso, wer OB-Kandidatin wird. Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze, hatte dies ja bisher ausgeschlossen. Mal sehen, ob sie ihre Meinung ändert.