Das Kinderskelett aus der Keltenzeit

von Redaktion

VON DIRK WALTER

Zugegeben, viel weiß man noch nicht über das Münchner Kindl. Carl Göderz von der Grabungsfima „3 Archäologen“ kann noch nicht mal sagen, ob es ein Bub oder ein Mädchen ist. Nur so viel: Es dürfte vier bis maximal zehn Jahre alt gewesen sein, als es aus unbekannten Gründen starb. Eine Krankheit? Ein Unfall? All das ist ungeklärt. Göderz steigt in die etwa einen Meter tiefe Grube und zeigt an den Hals des Skeletts. Schwer zu erkennen: eine Gewandspange als Grabbeigabe. Immerhin ist bekannt, wie alt das Skelett ist, das letzte Woche gefunden wurde: über 2000 Jahre alt. Unser Münchner Kindl lebte in der Keltenzeit, also etwa 250 bis 150 v. Chr., und es fand in der Schotterebene einen frühen Tod.

Ortstermin gestern auf einer Kiesfläche bei Feldmoching im Nordwesten Münchens. 1700 Wohnungen sollen auf dem einstigen Ackerland ab 2024 entstehen (siehe Kasten). Der Humus ist schon weggeschoben. Doch vorher wird das ganze über 20 Hektar große Baufeld archäologisch untersucht. Die Forschungen zeigen, dass schon weit vor der offiziellen Gründung von München (erste urkundliche Erwähnung 1158) Siedlungen auf dem heutigen Stadtgebiet existieren, sagt Matthias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Die ältesten Funde bei Freiham gehen zurück bis in die Bronzezeit, also 2200 bis 800 v. Chr. Das Besondere am Lerchenauer Feld ist jedoch, dass die Archäologen selten so großflächig forschen können. Meist sind sie froh, wenn sie auf Grundstücken für Einfamilienhäusern suchen können. Ein Dutzend kleine und große Ausgrabungen gibt es derzeit im Stadtgebiet.

Spektakuläre Funde sind auch auf dem Lerchenauer Feld selten. Bisher wurden drei Gräber aus der Keltenzeit – zwei Kinder, ein Erwachsener –, mehrere Fibeln und Rasiermesser sowie Tierknochen gefunden. Darunter waren auch Hundeknochen „mit Entfleischungsspuren, die darauf hinweisen, dass auch Hunde verzehrt wurden“, sagt Göderz. In einer Südostecke des Baugebiets kamen auch römische Relikte zutage: weitere drei Gräber mit vier Bestattungen, Brunnen, Öfen und eine eiserne Sichel mit drei Nägeln – wahrscheinlich wurde ein römischer Landwirt hier bestattet. Diese Funde sind jünger als die aus der Keltenzeit, stammen aus der Zeit um 350 bis 400 n. Chr.

Doch meistens buddeln die Archäologen nur Pfostenlöcher aus. Alle paar Meter lauert einer auf der weiten Kiesfläche, die mittlerweile mit riesigen Maulwurfshügeln übersät ist – Auswurfmaterial von den Grabungen. Die Kelten schlugen Löcher in den harten Kiesboden, darin wurden Holzpfosten verankert, die Säulen ihrer Häuser. Später vermoderte das Holz, zurück blieben Verfärbungen im Boden. So lassen sich Häusergrundrisse und ganze Siedlungen rekonstruieren. Die ganze Münchner Schotterebene südlich des Dachauer und Freisinger Mooses sei „vollflächig besiedelt“ worden, sagt Jochen Haberstroh vom Landesdenkmalamt. Allerdings nicht gleichzeitig überall, es gab Unterbrechungen. Auch zwischen der Aufgabe der Feldmochinger Keltensiedlung und der Neubesiedlung durch die Römer liegen Jahrhunderte.

Beim Münchner Kindl soll heute eine Anthropologin das Geschlecht bestimmen. Danach werden die Knochen im Depot der Anthropologischen Staatssammlung für weitere Forschungen aufbewahrt.

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