Es ist mehr als 50 Jahre her. Doch der Moment ist für Günter Zahn so präsent, als wäre er gestern gewesen. Als Fackelläufer durfte er 1972 das Olympische Feuer entfachen, vor 80 000 Zuschauern im Olympiastadion und einer Milliarde Menschen an den Fernseh-Bildschirmen: „Das vergisst man nicht. Der Blick von oben herab auf die Stadionkulisse hat sich ins Gedächtnis eingeprägt.“
Zahn war damals erst 18 Jahre alt und Deutscher Jugendmeister im 1500-Meter-Lauf. Wegen seines dynamischen Laufstils wurde der Passauer von NOK-Präsident Willi Daume ausgesucht. Immerhin musste er nach der Stadionrunde noch die 162 Stufen zum Olympischen Feuer hochlaufen. Da waren gleichermaßen Ausdauer und Ästhetik gefragt. Überdies sollte der Fackelträger das junge und freiheitliche Deutschland repräsentieren – im Gegensatz zu den Nazi-Spielen in Berlin 1936. Zahn erinnert sich, wie er durch das Marathontor ins Stadion einlief: „Das war Gänsehaut pur.“
Heute – ein halbes Jahrhundert danach – will sich der begeisterte Leichtathlet dafür engagieren, dass München erneut als Austragungsort von Olympia zum Zuge kommt. „Das wäre hervorragend“, sagt er. Am kommenden Dienstag (19 Uhr) findet im Augustinerkeller die Gründungsversammlung eines Unterstützervereins für die Olympia-Bewerbung statt. Tina Pickert, eine der Initiatorinnen, sagt: „Unser Ziel ist es, die Münchner von dieser Idee zu begeistern.“ In dem überparteilichen Verein – er soll wohl „Sommerspiele München“ heißen – seien verschiedene Akteure aus Politik, Sportverbänden und Wirtschaft, aber auch ganz normale Bürger aktiv. Pickert ist CSU-Ortsvorsitzende im Olympiadorf, wohnt seit 15 Jahren dort und war im Vorjahr wie viele andere Münchner faszinierte Zuschauerin bei den European Championships. Vor allem die dortigen Leichtathletik-Wettbewerbe im Olympiastadion erinnerten an den Geist von 1972. „Diese Veranstaltung war ein Impuls für eine Bewerbung“, meint Pickert.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sucht aktuell den Dialog mit den Bürgern in den Bewerberstädten. Neben München zählen Berlin, Hamburg, Leipzig und die Rhein-Ruhr-Region zu den Interessenten. In München ist am 5. November (11 bis 17 Uhr) in der kleinen Olympiahalle eine Infoveranstaltung für Bürger geplant. Der DOSB will dem Vernehmen nach im Mai 2024 entscheiden, ob und mit welchen Städten sich Deutschland für Olympia 2036 bewirbt. Als ein ernsthafter Konkurrent ist die indische Stadt Mumbai im Gespräch. Womöglich könnte es aber wegen des historisch belasteten Datums – 100 Jahre nach den Nazi-Spielen – auf 2040 hinauslaufen. Davon geht zum Beispiel die Olympiapark-Chefin Marion Schöne aus. Ansonsten befürwortet sie eine Münchner Bewerbung. Ein Verein sei gewiss hilfreich, eine breite Unterstützer-Basis in der Bevölkerung zu gewinnen.
Auch OB Dieter Reiter (SPD) hatte sich im Sommer-Interview mit unserer Zeitung für eine Olympia-Bewerbung ausgesprochen. Wie Pickert ist er der Auffassung, dass in München aufgrund der bestehenden Sportstätten nachhaltige Spiele möglich seien. Der OB will die Kosten transparent darstellen und dann die Bürger über Olympia entscheiden lassen. Reiter und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) werden auch zu der Veranstaltung in der kleinen Olympiahalle erwartet.
Und Günter Zahn? „Ich hoffe, dass ich 2036 als Zuschauer bei der Eröffnungsfeier dabei sein kann.“ Dann wäre er 82 Jahre alt. KLAUS VICK