Blickfänge im Altbekannten

von Redaktion

Im Stadtzentrum stehen neuerdings einige Kunstinstallationen – wir erklären, was sie bedeuten

VON LEONI BILLINA UND VINZENT FISCHER

Wer an Kunst interessiert ist, dem empfiehlt es sich, wachen Auges durch die Stadt zu laufen. Denn immer wieder stößt man auf Installationen – auch, wenn sie auf den ersten Blick nicht danach aussehen, wie zum Beispiel in der Theatinerstraße. Auffällig dagegen ist ein Kunstwerk am Odeonsplatz.

Mehr als ein Stuhl

Zunächst sehen sie aus wie normale Sitzgelegenheiten – allerdings nur zunächst. Die Stühle, die in der Theatinerstraße direkt vor den Fünf Höfen angebracht sind, sind nämlich mehr als das: Sie sind eine Kunst-Installation der Künstler Horst Wittmann und Thomas Steffl. Das Projekt ist Teil der Annuale 2023 unter dem Motto Freiräume, die sechs temporäre Kunstprojekte im öffentlichen Raum umfasst.

Ungewöhnlich bei den Stühlen in der Theatinerstraße ist die Anordnung der Sitzschalen. Lässt man sich auf ihnen nieder, sitzt man entweder vis-a-vis zu seinem Gegenüber, im 90-Grad-Winkel zu ihm oder auch eng nebeneinander. So oder so – sehr nah, näher als gewohnt.

„Wir haben die Konstellationen so angeordnet, dass Fragen aufgeworfen werden“, erklärt Horst Wittmann. „Ist das zu nah? Wo ist meine Grenze?“ Im besten Fall werde bei den Menschen so ein Gedankenprozess angeregt, sagt Wittmann. Täglich kommen wir in Situationen, in denen man Blicken begegnet oder ihnen ganz bewusst ausweicht. Dabei solle die Installation die Leute nicht zwingend ins Gespräch, sondern zum Nachdenken bringen, erklärt Wittmann. „Eine kleine Übung für jeden.“ Interessant sei für ihn vor allem, wie unterschiedlich die Leute damit umgehen. „Manche fragen sich, ob die Sitzschalen nicht umgeschraubt wurden“, sagt er und lacht. Andere drehen sich voneinander weg, wieder andere kommen miteinander ins Gespräch.

Ursprung der Idee war unter anderem die geringe Anzahl an Sitzmöglichkeiten in der Stadt – und die Anordnung der vorhandenen. „Oft stehen die Stühle im Kreis um Pflanzentröge, festgekettet und fast schon voneinander weggedreht – das ist unsäglich“, sagt Wittmann. Ihre Stühle sind das genaue Gegenteil.

Mini-Guggenheim

Wer sich aktuell in der Innenstadt aufhält, dem sticht das auffällige Gebilde vor dem Nationaltheater sofort ins Auge. Es handelt sich dabei allerdings weder um ein Ufo noch um eine Nachbildung der Reichstagskuppel, sondern um einen Standort des Theaterfestivals Spielart. Das Festival läuft noch bis 4. November und erstreckt sich über die gesamte Münchner Innenstadt. Die Konstruktion stellt eine Miniatur-Nachbildung des berühmten Guggenheim-Museums in New York dar, erklärt Veranstaltungsleiterin Veronika Wagner. Es ist täglich ab 12 Uhr geöffnet. Entworfen wurde es von dem Wiener Künstler-Kollektiv God‘s Entertainment.

„Es ist ein geschlossener Kreis aus Luftpolstern“, sagt Künstler Dominik. „Alle zehn Minuten wird für 30 Sekunden frische Luft reingeblasen.“ Ein Drucksensor überprüft, ob noch genügend Luft in den Polstern ist. „Es schauen sehr viele Passanten vorbei und machen Bilder“, freut sich Veronika Wagner. „Viele kommen gezielt hierher, aber manche stoßen auch zufällig auf die Skulptur. Das gibt eine interessante Mischung.“ Am vergangenen Sonntag etwa seien knapp 1200 Besucher gekommen.

Das Mini-Guggenheim steht unter dem Themenschwerpunkt Migration und Sprache. Im Inneren stickt das Kollektiv eine meterhohe weiße Weste. Über Lautsprecher wird die Geräuschkulisse aus dem Original abgespielt. Ausgestellt sind zudem Bücher unter dem Titel „Dulden“, die in ihrer Aufmachung an den Duden erinnern sollen. Darin setzen sich die Autoren kritisch mit der deutschen Sprache auseinander.

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