Neulich beim Wandern raschelte es ziemlich laut: nicht das Laub, denn unter meinen Füßen waren nur der Straßenteer und breitgefahrene Pferdeäpfel. Trotzdem knusperte es irgendwo weiter – und so laut, als würde jemand riesige Kartoffelchips mampfen. Nach ein paar Metern entdeckte ich die Feinschmecker. Zwei Pferde, eines schwarz, eines braun, hatten sich möglichst nahe an den Zaun gequetscht, weil sie dort eine kleine Schilf-Insel entdeckt hatten. So also klingen Schilf-Chips zwischen Pferdezähnen, dachte ich und lachte den Rössern zu. Sie blickten nur kurz auf und machten sich dann wieder über die Leckerei her.
Dieses besondere Geräusch erinnerte mich an eine der wichtigsten Zutaten für eine echte Herbstträumerei, das Rascheln welker Blätter. Meine Favoriten sind die großen, zackigen der Platane. Sie machen einen veritablen Lärm, man kann buchstäblich durch sie waten – und jeder schaut neugierig, was da los ist. Solch Knacksen, Rauschen, Knistern werden zu den seit Kindertagen geliebten Soundteppichen des Auswärts. Man erzeugt sie selbst, wild oder sanft je nach Gusto; und sie wirken lustig, ganz und gar nicht so bedrohlich wie das Rauschen der Bäume im Herbststurm.
Die nächste Zutat fällt ebenfalls vom Baum, die Kastanie. In der dritten Jahreszeit – wir lassen mal Fasching und Starkbierzeit beiseite – wird sie seit jeher von den Kleinen aufgeklaubt, weil sie damit herrlich basteln können. Ich versuche mich zwar nicht mehr an „Manschgerln“ und Viecherln; zwei, drei, vier Exemplare dieses glänzend braunen „Fallobsts“ muss ich dennoch jedes Jahr aufheben. Ob es wirklich gegen Rheuma hilft, ist mir wurscht. Heuer hatte ich noch gar kein Finderglück. Beim Spaziergang im Oberland winkten mir zwar Kastanienbäume; unter ihnen war jedoch alles bis auf die igeligen Schalen fein säuberlich abgeräumt. Wahrscheinlich ist in der Nähe ein Kindergarten oder eine Grundschule, grummelte ich enttäuscht in mich hinein. Das hörte die Baumnymphe offenbar. Sie warf mir schelmisch eine einzelne Frucht – fast – an den Kopf. Dankend hob ich das glatte Wunder auf und schob es in meine Jackentasche.
Die dritte Zutat ist neben den bunten Blättern und letzten Blumen das Licht. Entweder wird es vom Nebel gedimmt, oder es strahlt gläsern, als gäbe es keine Atmosphärenpartikel mehr. Beides gehört in Wirklichkeit zusammen und führt das große Drama namens Herbst auf: Melancholie und Lebenslust. Schließlich weiß alles, was kreucht und fleucht, dass es lediglich um ein bissl Sterben geht. Nach dem Ausruhen im Winter kommt bald schon der muntere Frühling daher. Jetzt freilich erntet der Vogel die Hagebutte, das Oachkatzl die Haselnuss, der Mensch Kartoffeln und Weintrauben – und Pferde Schilf-Chips.
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