Sie nennen es „angepasste Terminplanung“: Die Deutsche Bahn ist bei der Fertigstellung des Laimer Bahnhofs in Verzug. Sowohl der Bahnhof als auch die neue Umweltverbundröhre, die Fußgängern, Radfahrern, Bus und Tram vorbehalten sein soll, wird „rund zwei Jahre später als ursprünglich geplant“ fertig, wie Kai Kruschinski, Gesamtprojektleiter für den Bau der zweiten Stammstrecke, nun mitteilte. Die Inbetriebnahme sei für 2028 geplant.
Es ist eine Kettenreaktion – eine Verzögerung löst die nächste aus: Erst im August, viel später als gedacht, hatte die Bahn das neue Gleis 1, auf dem die S-Bahnen Richtung stadtauswärts einfahren, freigegeben. Erst jetzt kann das alte Gleis 1 mit dem alten Bahnsteig abgebrochen werden. Aber: „Wir haben in Laim deutlich mehr alte Fundamente aufgefunden als gedacht, die wir zunächst beseitigen müssen“, berichtet Kruschinski. Solche „vermeintlich kleineren Verzögerungen“ führten dazu, dass sich „ganze Bauabschnitte“ zeitlich verschieben. Hinzu kommt, dass für Prüfung und Abnahme der Leit- und Sicherungstechnik mehr Zeit eingeplant werden muss.
Die Umweltverbundröhre ist ebenfalls eine Herausforderung. Vom Norden her ist das Bauwerk unter den Güter- und Abstellgleisen bereits fertiggestellt. Auch vom Süden her kommen die Arbeiten „planmäßig“ voran, wie die Bahn betont. Allerdings gibt es bisher keinen Durchbruch, also eine Verbindung des Süd- und Nordabschnitts. Dieser wird just unter dem Laimer Bahnhof erfolgen – die Bahn muss dafür in die S-Bahn-Gleise sogenannte Gleisbrücken einschieben, die dann untertunnelt werden können. Warum das bisher nicht geschah, ist unklar – eventuell liegt das an den massiven Fundamenten, von denen Kruschinski berichtet. Außerdem wird die Umweltverbundröhre im Rohbau auch für die Baustellenlogistik – etwa die Lagerung von Baumaterial – des S-Bahnhofs benötigt.
Die Folge: Die Stadt kann die Tram-Westtangente, die vom Romanplatz durch die Verbundröhre bis zum Aidenbachplatz führen soll, nicht wie geplant 2028 in Betrieb nehmen. Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-/Volt-Fraktion, rechnet mit einer Verzögerung von mindestens „zehn bis zwölf Monaten“. Realistisch sei jetzt eine Inbetriebnahme im Dezember 2029. Gradl nennt die Verspätung ein „Desaster“. Die Stadt werde aber am Plan, die Tram auf Teilstücken der Westtangente vorher fahren zu lassen, festhalten. Geplant sind unter anderem die Abschnitte Agnes-Bernauer-Straße bis Ammerseestraße/A96 und von dort weiter nach Süden bis Ratzingerplatz/Aidenbachstraße.
Den CSU-Abgeordneten Jürgen Baumgärtner, der im Landtag den Unterausschuss zweite Stammstrecke leitete, überrascht die Verzögerung nicht. „Bahn-Vertreter hatten im Ausschuss schon so etwas angedeutet.“ Der Ausschuss, kündigte Baumgärtner an, werde auch in der neuen Legislaturperiode „unbedingt“ weiter bestehen, um das Großprojekt zu überwachen. Für den früheren Grünen-Abgeordneten Martin Runge ist die Verzögerung einmal mehr ein Beleg für „das völlig verfehlte Stammstrecken-Projekt“. Er prophezeit: „Böse Überraschungen wird es noch haufenweise geben.“