Zilly (76) aus Wolfratshausen steht neben einem langen, gedeckten Tisch am Marienplatz. Die 240 Stühle: leer. Auf manchen kleben Fotos und Namen, darüber steht in Großbuchstaben „Entführt“. Es sind die von der palästinensischen Terrororganisation Hamas verschleppten Geiseln.
Passantin Zilly, die nicht gezeigt werden will, kämpft mit den Tränen, als sie die Tafel voll leerer Teller und Weingläser fotografiert. „Man kann mit Worten nicht beschreiben, wie schlimm ich das alles finde“, sagt sie. Zilly ist eine von vielen Passanten, die am Freitag an dem 73 Meter langen Tisch stehen bleiben. Sie schauen sich die Bilder der Entführten an, lesen ihre Namen, manche bringen Blumen.
Eine Gruppe von Privatleuten hat die zweistündige Aktion organisiert, die am Freitag um 12 Uhr startete. Yehoshua Chmiel (68) aus München ist der Sprecher der Organisatoren. Die leeren Stühle sollen an die Entführten erinnern. Sie hätten nichts mit dem politischen Konflikt zu tun, sagt Chmiel. „Es ist uns wichtig, im Herzen der Stadt unsere Solidarität auszudrücken.“
Ähnliche Aktionen fanden zuletzt in Berlin und Frankfurt am Main statt. Der Freitag ist bewusst gewählt, denn abends an dem Tag beginnt der jüdische Ruhetag Schabbat. Dann kommt in der Regel die ganze Familie an der Festtafel zusammen und die Challa-Brote werden gesegnet. Auch auf der Tafel am Marienplatz liegen am Freitag ein paar dieser besonderen geflochtenen Weißbrote – unberührt. Yehoshua Chmiel und seine Mitstreiter wollen an die 240 Verschleppten erinnern, die nicht mit ihren Lieben essen können. REGINA MITTERMEIER