Im Oldie-Radio läuft „Let‘s twist again“, eine ältere Dame wippt im Takt mit dem Kopf. An den Tischen vor der Tür sitzen vier Stammkunden, trinken Kaffee und ratschen. Ein junger Mann kommt rauchend dazu, erzählt den neuesten Tratsch aus der Gegend. Der Sollner Kiosk-Laden in der Friedastraße direkt an der S-Bahn, den es seit Mitte der 1960er-Jahre gibt, ist nicht bloß ein Kiosk oder ein Laden. Er ist ein Viertel-Treffpunkt für Jung und Alt, für bekannte Fußballer genauso wie den einfachen Angestellten. Hier geht es noch ein bisserl zu wie früher.
„Geld ist nicht alles“, sagt Fabian Bromberger (30), der den Laden seit 2020 betreibt. Er war zuvor Industriekaufmann bei Siemens, Filialleiter bei einem Finanzdienstleister und Neuwagenverkäufer für eine Luxusmarke. „Das war alles nett. Aber der Druck war immer groß. Und irgendetwas hat gefehlt.“ Fabian Brombergers Mutter Herma (62) arbeitete hier bereits als Angestellte, als ihn der Vorbesitzer fragte, ob er den Laden übernehmen will. „Das war die richtige Entscheidung. Es ist wahnsinnig viel Arbeit und ich werde hier nicht reich – aber ich habe meinen Seelenfrieden gefunden.“
Schon nach wenigen Minuten im 50 Quadratmeter großen Laden ahnt man, was er meint. Die Kunden Elke (58) und Hermann Stumme (67) sitzen wie so oft am Morgen mit ihren eigenen Kaffeetassen am Tisch. „Die Becher lassen wir immer hier im Kiosk und die spülen die für uns.“ Stammgast Mario Stangl (35) schwärmt von der „herzlich-familiären“ Atmosphäre. „So etwa gibt es heute nicht mehr so oft. Hier ist nicht alles auf Profit ausgerichtet. Auch wenn ich nichts kaufe, verbringe ich schon mal eine Stunde hier – die ist schnell vorbei.“
Service wird bei den Brombergers, die den Laden zu zweit schmeißen, großgeschrieben. Mutter Herma steht schon ab 5.30 Uhr hinterm Tresen. Ihr liegen besonders die älteren Kunden am Herzen. „Manche sind ja ganz alleine. Da nimmt man sich schon Zeit für ein Gespräch, für ihre Sorgen. Und wenn die Kunden so alt oder krank sind, dass sie nicht aus dem Haus kommen, bringe ich ihnen schon auch mal die Zeitung heim. Ist doch selbstverständlich.“ Wenn ein Kunde eine bestimmte Zeitung oder Zeitschrift wünscht, bestellen die Brombergers diese und legen sie zurück.
Auffällig: Viele der Zeitschriften behandeln Themen wie Finanzen, Börse, Immobilen oder auch Uhren. Stimmt denn das Klischee vom reichen Sollner? „Klar gibt es hier einige Leute, die Geld haben“, sagt Fabian Brombach. Einige Neureiche seien schon auch mal überheblich, gibt er zu. „Aber die meisten lassen das Geld nicht raushängen.“ Um größerem Ärger aus dem Weg zu gehen, zeigen die Brombachs ihren Kunden deutlich: „Politische Diskussionen haben hier keinen Platz. Und wir sind auch keine Saufstube. Der Schnaps ist bewusst teuer. Alkoholische Getränke sind im und vor dem Laden tabu.“
Zum Mama-Sohn-Team sagt Fabian: „Wir haben uns schon immer zu zweit durchgeboxt, nach der Scheidung meiner Eltern und als mein Stiefvater schwer erkrankt ist.“ Für Herma naht nun die Rente. „Aber ich werde dann in Teilzeit weiterarbeiten. Ich bin es doch so gewohnt, unter Leuten zu sein.“ Hier im Herzen Sollns.