Mittags am Islamischen Zentrum in Fröttmaning. Es ist die Zeit des Freitagsgebets – ein wichtiger Termin für Muslime, auch hier in München. Es herrscht reges Treiben: Viele Leute kommen mit dem Bus, Autos fahren im Minutentakt vor. Familien mit Kindern steigen aus, ältere Frauen und Männer, aber auch viele Junge sind darunter. Ganz normale Männer und Frauen. Und doch ist momentan nichts normal. Die Zusammenkunft im Glauben beim Freitagsgebet scheint für die Münchner Muslime in diesen Tagen wichtiger denn je.
Die Welt scheint aus den Fugen: Gerade hat das Islamische Zentrum einen Imam suspendiert – Mohamed Ibrahim hatte bei Facebook eine Nachricht gepostet, die viele als Verhöhnung der Hamas-Opfer verstanden hatten. Der Nahostkonflikt ist längst bei uns angekommen. Das Blutvergießen müsse aufhören, es seien Fehler gemacht worden: Das sagen viele hier vor der Moschee in Fröttmaning. Und alle verurteilen die grausame Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober.
Viele betonen im Gespräch aber auch, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästina nicht erst am 7. Oktober begonnen habe. Das Leid, das den Palästinensern seit dem Zweiten Weltkrieg angetan worden sei, sei in der Öffentlichkeit kein Thema. Auch –und vor allem – nicht in der westlichen Welt. So sieht das Seif El Masry (22). Der BWL-Student aus München kam 2018 aus Ägypten nach Deutschland. „Es macht mich traurig. Zivile Opfer sind auf beiden Seiten zu beklagen. Gewalt ist keine Lösung. Aber was den Palästinensern passiert ist, das versteht niemand hier, darüber redet keiner. Und wenn wir sagen, dass wir pro Palästina sind, dann werden wir gleich als Antisemiten bezeichnet“, sagt er.
Waleed Elkashef geht es ähnlich. Er lebt seit 25 Jahren in München, arbeitet als Physiotherapeut. „Ich mache keinen Unterschied zwischen den Menschen. Unter meinen Patienten sind auch Israelis. Jeder gläubige Moslem ist ein toleranter Mensch“, betont der 50-Jährige. Doch auch in ihm arbeitet es. „Israel hat den Anspruch, sich zu verteidigen, aber gleichzeitig haben die Zivilisten in Palästina diesen Anspruch nicht. Wir sehen jeden Tag die schrecklichen Bilder – und verzweifeln daran. Es muss einen Waffenstillstand geben!“