Der Protest der Kinderpfleger

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Angelika Kraus hat schon öfter übers Streiken nachgedacht. Oder darüber, den Arbeitgeber zu wechseln. Bisher hat sie beides nicht gemacht. Wegen der Mädchen und Buben, die sie betreut. Alle haben eine geistige Behinderung und besuchen die Mathilde-Eller-Schule in Laim. Dort ist Kraus seit zehn Jahren Kinderpflegerin. Die 56-Jährige liebt ihren Beruf – aber die Arbeitsbedingungen werden von Jahr zu Jahr schlechter, sagt sie. Deshalb hat sie gestern ein Plakat gemalt und ist nicht in die Arbeit gefahren, sondern zum Finanzministerium – obwohl deswegen Klassen geschlossen werden mussten. Denn mit Kraus demonstrierten 40 weiteren Kollegen, alle Kinderpfleger und Heilpädagogen. Sie alle fordern einen faireren Lohn und mehr Wertschätzung. „Die Konkurrenz zahlt mehr“, stand auf dem Plakat von Kraus.

Die Konkurrenz, das sind private Träger oder Schulen, die die Stadt München betreibt. Die Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erzieherdienst hatten bereits im Frühjahr über ihren Tarifvertrag eine bessere Bezahlung durchgesetzt, erklärt Martina Borgendale, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Diese Verbesserungen für die Beschäftigten bei den Kommunen müssen auch den Beschäftigten in den sonderpädagogischen Berufen auf Länderebene zugutekommen. Nur so kann eine Konkurrenzsituation zulasten der Förderzentren verhindert werden.“ Die Gehaltslücke zwischen beiden Bereichen betrage fast elf Prozent. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Lohn, aber mindestens 500 Euro. Dieser Mindestbetrag kommt vor allem den Beschäftigten der unteren Gehaltsgruppen zugute.

Angelika Kraus berichtet, dass viele ihrer Kollegen darüber nachdenken, den Arbeitgeber zu wechseln. Die Stadt München habe ihren Mitarbeitern beispielsweise einen Inflationsausgleich gezahlt, berichtet sie. Die Personalsituation sei schon jetzt sehr angespannt an der Mathilde-Eller-Schule, berichtet Kraus. Und es werde immer schwieriger, neue Kinderpfleger oder Heilpädagogen zu gewinnen. Die 56-Jährige wundert das nicht. „Bei dieser Bezahlung will keiner mehr in den Beruf.“

Sie hat es bisher nicht bereut, Kinderpflegerin geworden zu sein. Sie liebt ihre Arbeit sehr. „Die Aufgaben sind vielfältig, wir sind in den Klassen wie zweite Lehrer“, berichtet sie. Dazu gehöre auch viel Verantwortung. Und das muss sich auch in der Bezahlung bemerkbar machen, fordern sie und ihre Kollegen. 1000 Euro netto – mit diesem Gehalt könne sich kaum jemand den Beruf leisten. „Fast alle von uns haben mittlerweile einen Zweitjob.“

Angelika Kraus hat jedoch nicht das Gefühl, dass bei den bayerischen Politikern angekommen ist, wie angespannt die Lage ist. Einen Gesprächspartner haben sie und ihre Kollegen dann aber nicht bekommen. Die Demo sei zu kurzfristig gewesen, hieß es gestern aus dem Finanzministerium. „Wir sind enttäuscht“, sagt Kraus danach. Aber aufgeben wollen sie nicht. Es werde weitere Demos geben. Und wenn auch die nicht ernstgenommen werden, wohl auch weitere Kündigungen.

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