Die Baugenehmigung umfasst nicht weniger als 708 Seiten – und sie erging klammheimlich. Bereits am 31. Oktober hat das Eisenbahn-Bundesamt den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben „PFA 3 Ost der 2. S-Bahn-Stammstrecke München Bereich westliches Isarufer bis Bahnhof Leuchtenbergring“ erlassen. Dies teilte Behördensprecher Moritz Huckebrink unserer Zeitung auf Anfrage mit. Damit ist nun der gesamte geplante zweite S-Bahn-Tunnel genehmigt.
Münchens größte Baustelle wird sich noch mindestens ein Jahrzehnt hinziehen. Am 5. April 2017 war Spatenstich, von den damaligen Akteuren (Ministerpräsident Horst Seehofer, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt) ist nur noch Oberbürgermeister Dieter Reiter im Amt. Mittlerweile wird im Westen bei Laim und am Marienhof gebaut. Wann Baubeginn im jetzt genehmigten Ostabschnitt ist, sagen die Planer nicht. Vermutlich erst in einigen Jahren.
Die Genehmigung des letzten Teilstücks hatte sich jahrelang verzögert. Grund waren Umplanungen – unter anderem wurde die geplante Haltestelle am Ostbahnhof vom Orleansplatz ans andere Ende an der Friedenstraße verlegt.
Gebaut werden sollen zwei getrennte, 2860 bzw. 2840 Meter lange Röhren für die S-Bahn, die bis zu 42 Meter tief unter der Erdoberfläche liegen werden. Zudem wird es in der Mitte zwischen den beiden Röhren einen Evakuierungsstollen geben. Dazu kommen drei Rettungsschächte – der längste in den Maximiliansanlagen reicht 39 Meter unter die Erde. Zudem ist ein südlicher Abzweig für die S3/S7 vorgesehen. Dieser Anschluss bis zur Haltestelle St.-Martin-Straße wird jedoch erst später gebaut.
Der Planfeststellungsbeschluss birgt jede Menge Details und Überraschungen – etwa für Anwohner. Für eine ganze Reihe von Wohngebäuden etwa entlang der Orleansstraße, der Friedenstraße und der Hermann-Weinhauser-Straße werden Baulärm-Überschreitungen von 60 Dezibel in der Nacht erwartet. Daher muss die Bahn den Bewohnern „Ersatzschlafraum“ anbieten. Ebenfalls ein heikler Punkt: Die Untertunnelung sensibler Bauwerke, etwa der 1914 gebauten evangelischen St.-Johannes-Kirche am Preysingplatz, die in 18 Metern Tiefe untertunnelt wird. Die Kirchenstiftung monierte unter anderem die Störung der im Grundgesetz garantierten Religionsausübung, doch die Behörde hat das zurückgewiesen. Die Anforderungen „an den Schallimmissions- und Erschütterungsschutz“ würden eingehalten, unter anderem durch „eine messtechnische Überwachung“.
Auch die alten denkmalgeschützten Bierkeller am Preysingplatz werden im Abstand von 24 Metern untergraben. Insgesamt gab es 38 private Einwender, zum Teil Verbände wie den Bund Naturschutz oder den Verkehrsclub Bayern, deren Bedenken aber zurückgewiesen wurden.
Hinzu kommen viele Grundstückseigentümer, die sich von Rechtsanwälten vertreten ließen. Einzelne äußerten beispielsweise die Sorge, dass durch Erschütterungen Gebäudeschäden auftreten können oder Mieter wegen der Lärm- und Staubbelastung Mietminderungen geltend machen werden – doch auch diese Bedenken zogen nicht. Gänzlich ausgeräumt sind die Befürchtungen aber nicht. So erklärte die Erbengemeinschaft für ein Anwesen an der Weißenburger Straße vorsorglich, sie werde „entsprechende Schadensersatzansprüche geltend“ machen, falls Schäden aufträten.
Der Grünen-Politiker Martin Runge, der das Projekt seit Langem kritisiert, prophezeit: „Mit Sicherheit wird es auch im Falle des jetzt planfestgestellten PFA 3 Ost noch viele Umplanungen und damit auch weitere Genehmigungsrunden geben.“
Auch zur Bauweise enthält der Bescheid viele Informationen. So soll mit Überdruck gebohrt werden, stellenweise wird der Untergrund vereist, damit es keine unliebsamen Wasser- oder Erdeinbrüche gibt.