Obdachlosenlager sind in einer Millionenstadt wie München nichts Außergewöhnliches. Vor allem in den Sommermonaten gibt es solche Camps immer wieder – an der Isar, an Bahngleisen oder in Grünanlagen, wie das Sozialreferat zu berichten weiß. Selten seien sie aber in so zentraler Lage wie das Matratzenlager vor dem ehemaligen Kaufhof am Stachus.
In München wird die Bildung von Camps nicht geduldet. Wie berichtet, hatte die Stadt das Lager vor dem früheren Kaufhof mit rund einem Dutzend Bettlern geräumt. An erster Stelle steht laut Sozialreferat jedoch immer die Beratung der obdachlosen Personen durch die Streetworker und der Hinweis auf Hilfemöglichkeiten. Jede anstehende Räumung werde in der referatsübergreifenden Arbeitsgruppe „Wildes Campieren“ besprochen. Erst wenn die Menschen Hilfeangebote ablehnten oder nach mehrmaliger Aufforderung ihr Lager nicht von sich aus räumten, greife die Stadtverwaltung durch. Bei Einzelpersonen geschehe dies jedoch nicht.
Was die Gesamtzahl der Bettler in München betrifft, sieht das Sozialreferat keine auffälligen Änderungen im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Grundsätzlich ist stilles Betteln im Stadtgebiet erlaubt, nur aggressives Vorgehen werde geahndet. Lediglich in der Fußgängerzone der Altstadt gilt ein Bettelverbot.
Nach Auskunft des Sozialreferats gibt es aktuell keine Hinweise auf organisiertes, ausbeuterisches Betteln. Die Bettlerinnen und Bettler würden sich jedoch zum Teil untereinander organisieren. Im Übrigen seien alle großen Kommunen in Deutschland von dem Phänomen betroffen, aus Sicht des Sozialreferates ist München hier kein besonderer Anziehungspunkt. Stadt und freie Träger würden viele Anlaufstellen und Hilfsangebote für Bettler anbieten.
Die Behörde weist überdies darauf hin, dass in München niemand auf der Straße leben muss. Für die geschätzt 550 Obdachlosen stehen ganzjährig 850 Bettplätze im Übernachtungsschutz auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne zur Verfügung. Oftmals handelt es sich bei den Obdachlosen um Menschen aus Osteuropa, die ihren Wohnsitz in ihrem Heimatland haben. Deren Zahl wächst dem Sozialreferat zufolge ständig. Es gebe aber auch Obdachlose in München mit deutscher Staatsbürgerschaft, die aus verschiedenen Gründen die Angebote der Wohnungslosenhilfe und der Stadt zur Unterbringung nicht annehmen wollen oder können, heißt es vom Sozialreferat. Nach Einschätzung der Behörde schläft etwa 70 Prozent dieser Personen in Notunterkünften, die restlichen 30 Prozent nächtigen freiwillig draußen.
Obdachlos sind per Definition Menschen, die tatsächlich auf der Straße leben, weil sie Notunterkünfte ablehnen oder die vorhandenen Angebote zum Beispiel aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht annehmen können. Davon muss man den Personenkreis der Wohnungslosen unterscheiden, die aktuell keinen Mietvertrag haben und kein Dach über dem Kopf finden. Deren Zahl steigt seit Jahren kontinuierlich an. Fast 10 000 Menschen sind aktuell im akuten Wohnungslosensystem der Stadt untergebracht, also in Beherbergungsbetrieben, Notquartieren, Clearinghäusern, Flexiheimen, Wohnprojekten und Einrichtungen der Verbände. Das sind mehr als doppelt so viele Hilfesuchende wie im Jahr 2014. „Die Situation hat sich hier deutlich zugespitzt“, erklärt das Sozialreferat. KLAUS VICK