Angst um älteste Apotheke der Stadt

von Redaktion

VON BETTINA ULRICHS

„Es wird immer schlimmer, und ich habe immer weiter sinkende Umsätze“, sagt Barbara Stempel, Inhaberin der Traditionsapotheke (siehe Kasten). Und weiter: „Die Zustände hier sind unglaublich für Gewerbetreibende! Die Leute haben einfach Angst, gerade jetzt im Winter.“ Ohne die Spezialisierung auf Naturheilkunde hätte sie ihre Apotheke längst zugemacht.

Grund für Stempels Verzweiflung: Die Schützenstraße ist bis auf Weiteres fast unpassierbar – zum Beispiel wegen der Großbaustelle am Hauptbahnhof, der Baustopp auf der Karstadtbaustelle auf der nördlichen Seite der Straße und der Fußgängerführung der Stadt München. „Die wenigen verbliebenen Geschäfte in der Schützenstraße sind von einem totalen Chaos umgeben“, sagt Andreas Baur (60), dem das Apotheken- und Ärztehaus in der Schützenstraße 5 und Bayerstraße 4 gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern gehört.

Bereits in der dritten Generation lebt und arbeitet die Pharmazeutenfamilie hier. „Was zuallererst ärgert, ist die Fußgänger- und Verkehrsführung der Stadt“, sagt Baur. „In der Schützenstraße wurden die Fußgängerschilder abmontiert, warum, weiß keiner.“ Durch die Großbaustelle am Hauptbahnhof, die gleichzeitige Karstadtbaustelle und den Neubau des Königshofs sei die Straße von allen Seiten quasi abgeriegelt. „Überall muss man an Bauzäunen, Containern, Lastern und Wende- und Umschlagplätzen für Aushub und Baufahrzeuge vorbei.“

Dazu komme die Insolvenz der Signa-Holding von René Benko. „Seit dem Baustillstand vor rund vier Monaten wissen wir nicht mehr, was kommt.“ Der anvisierte Bauzaun in der Mitte der Schützenstraße falle aus. „Der hätte klare Verhältnisse geschaffen, und für unsere Kunden und die Anwohner wäre eine, wenn auch schmale, Fußgängerzone begehbar geblieben“, sagt Baur.

„Nun hausen direkt gegenüber der Schützenapotheke große Clans von Obdachlosen.“ Für die Patienten des Ärztehauses seien diese extrem befremdlich. „Die Leute haben einfach Angst, fühlen sich auf der Straße unwohl“, sagt Baur. Vom Dreck und Müll durch die Wohnungslosen ganz zu schweigen. Es könne auch nicht sein, dass ständig eine ganze Armada an vollbepackten Einkaufswägen im öffentlichen Raum stehe.

Rudolf Stadtler von der zuständigen Polizeiinspektion 14 sagt dazu: „Die Verhandlungen mit der Insolvenzverwaltung von Signa laufen bereits, sind aber schwierig.“ Wenn ein Gitter installiert werden müsse, damit Unbefugte nicht in die Tiefgarage gehen können, dann brauche es dazu eine komplexe Genehmigung. Es gebe aber einen behördenübergreifenden, runden Tisch und im Hintergrund liefen viele kleine Maßnahmen, um die Obdachlosenproblematik zu entschärfen, die Baustelle zu reinigen und den gesamten Grund des ehemaligen Karstadt abzuriegeln.

Belastend ist auch die Großbaustelle für den neuen Königshof, der erst verspätet im Frühjahr oder Sommer 2024 fertig werden soll. In der Zwischenzeit rollen Laster durch die Schützenstraße oder verstopfen den Ausgang in Richtung Stachus. Für Andreas Baur und seine Mieter bedeutet das: Die Straße ist von allen Seiten kaum passierbar.

Andreas Baur ärgert sich auch über die Situation in der Bayerstraße. „Vom Hauptbahnhof zum Stachus fahren hier stetig Autos einfach illegal auf den Trambahngleisen durch, das müsste unterbunden werden.“ Er versteht auch nicht, warum die südliche Bayerstraße vom Stachus bis zur Mitte durch ein Gitter abgesperrt ist, sodass Passanten nicht queren können. „Ab der Zweigstraße kann man dann rüber, obwohl da die Tram genauso fährt.“ Das seien alles zusätzliche, unnötige Barrieren für die Gewerbetreibenden.

Angesichts all dieser Probleme ist der Wunsch von Apotheken-Inhaberin Barbara Stempel fast schon bescheiden: „Das Mindeste, was die Stadt machen könnte, wäre eine einfache Weihnachtslichterbeleuchtung.“ Damit sich überhaupt noch Kunden in die dunkle Schützenstraße trauen – und die älteste Apotheke Münchens überlebt.

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