Es war ein Massaker, was sich am 24. Dezember 1705 auf den Feldern um das ehemalige Bauerndorf Sendling abspielte. So jedenfalls nennt es Andreas Reich, der Vorsitzende des Schmied-Kochel-Vereins. Und man kann diese Meinung durchaus teilen. Hunderte Männer, die sich ergeben und ihre Waffen niedergelegt hatten, wurden von kaiserlichen Soldaten gnadenlos niedergemetzelt. So beschreiben es historische Überlieferungen.
An diesem Sonntagvormittag – 318 Jahre nach der Sendlinger Mordweihnacht – stehen mehr als 100 Trachtlerinnen und Trachtler aus 18 Vereinen an der Sendlinger Kirche und gedenken der Opfer des blutigen Aufstandes. Doch eines zeigt sich über die Jahre: Die Teilnehmer werden stetig weniger. 20 mit Gold verzierte Vereins- und Feuerwehrstandarten ragen heuer in den Himmel. „Vor einigen Jahren waren es noch über 35 Stück“, erinnert sich Irmgard Reich, ehemalige Schriftführerin des Schmied-Kochel-Vereins.
An diesem Tag geht es um bayerischen Patriotismus und den Kampf gegen die Willkürherrschaft, Ausbeutung und Zwangsrekrutierung durch das Kaiserreich. Der Kampf für Freiheit ist heute genauso relevant wie damals. Darin sind sich die Burschen und Madln durch die Vereine hinweg einig. Überall herrsche heutzutage Krieg, heißt es in den Reden zur Gedenkfeier. „Wir haben großes Glück, dass wir seit 80 Jahren Frieden in Deutschland haben“, sagt Andreas Reich. Dann wird ein Kranz niedergelegt.
Die Aubinger Blaskapelle stimmt den bayerischen Präsentiermarsch an. Dann zieht der Trachtlerzug weiter. Mittlerweile haben sich kleine Menschentrauben an der Straße in Sendling gebildet. Neugierige Blicke, der ein oder andere Zuschauer zückt sein Handy für ein Foto oder kurzes Video.
„Das Interesse der Menschen an uns ist da“, sagt Irmgard Reich. „Aber trotzdem können wir keine Mitglieder gewinnen.“ Das klassische Vereinswesen steckt in der Krise. Der Nachwuchs fehlt, und die Vereine lösen sich nach und nach auf. „Als ich damals dem Verein beigetreten bin, war das was Besonderes“, sagt die frühere Schriftführerin. Sie sei sehr nervös gewesen bei den ersten Treffen, gesteht sie. Auch die anderen Mitglieder erinnern sich noch an diese Zeit. Die meisten sind seit Jahrzehnten dabei. Einige wurden in den Verein hineingeboren. Wie Herbert Reich, der Ende Februar, nach 16 Jahren, sein Amt an Sohn Andreas weitergab. Nun steht auf der Internetseite „Wir suchen Mitglieder jeden Alters“.
Blickt man an diesem Tag durch die Reihen, sind die meisten Mitglieder graubärtig und grauhaarig. Junge Gesichter sieht man nur wenige. Trotzdem versucht Andreas Reich, positiv in die Zukunft zu blicken. „Ich habe dieses Jahr den Vorstand von meinem Vater übernommen. Jetzt gewöhne ich mich erst mal ein und dann starten wir in die Zukunft“.