Steigende Zinsen, sinkende Kaufpreise, immer höhere Mieten: Der Immobilienmarkt war 2023 in Aufruhr wie lange nicht mehr. Wie geht es im neuen Jahr weiter? Bleibt München unbezahlbar? Oder platzt die Immobilienblase? Thomas Aigner ist mit seiner Firma seit vielen Jahren auf dem Markt aktiv. Unsere Zeitung hat ihn zu Prognosen, Tipps und seiner Einschätzung zur Wohnungspolitik der Stadt gefragt.
Wie fällt ihr Fazit für das Jahr 2023 aus?
Wir haben sowohl beim Umsatz als auch bei der Zahl der verkauften Immobilien stark rückläufige Zahlen gesehen. Der Münchner Markt ist beim Umsatz um 42 Prozent gefallen. Der Rückschlag war nach den Höchstzahlen 2021 aber ein Stück weit zu erwarten. Märkte gehen nicht immer nur nach oben. Aber die Zahl der Kaufanfragen steigt inzwischen wieder.
Wie geht es 2024 weiter?
Die Zinsentwicklung ist etwas rückläufig. Vielleicht gibt es 2024 ein leicht vermindertes Niveau. Es fallen nicht alle Preise pauschal. Es wird wieder mehr differenziert – nach energetischem Standard der Gebäude oder deren Lage. Ein zweiter Punkt sind die Mieten. Viele Menschen haben sich vom Kauf- auf den Mietmarkt verändert, weil sie wegen der hohen Zinsen nicht mehr kaufen wollen. Der resultierende Anstieg bei den Mieten führt vielleicht dazu, dass wieder mehr gekauft wird.
Wie bewerten Sie die Bautätigkeit in München?
Die Bauträger sind in einer gewissen Schockstarre. Sie haben über Jahre hinweg ihre Objekte kalkuliert – mit den damaligen Zinsen, nicht mit dem jetzigen Zinsniveau Diese Zinsentwicklung kam sehr plötzlich. Es wird aber nicht nur wenig gebaut, es wird auch wenig entwickelt.
Woran liegt das?
Die Stadt München ist in der Corona-Zeit relativ untätig gewesen. Neue Flächen zu entwickeln, landwirtschaftliche Flächen in Bauland umzuwandeln, die Stadtentwicklungsmaßnahmen SEM Nord, SEM Ost – all das ist in dieser Zeit stillgestanden. Das bringt jetzt Folgeeffekte, die uns in den nächsten Jahren noch begleiten werden.
Wie beeinflusst diese Politik die Schaffung von günstigem Wohnraum?
Es ist ein Trugschluss, dass der Bau von Hochhäusern oder das Aufstocken bestehender Gebäude günstigen Wohnraum schafft. Der kann nur auf Gebieten wie bei den Stadtentwicklungsmaßnahmen oder bei der Umnutzung von Kasernen- oder gewerblichen Flächen entstehen, weil man da im großen Stil, in der Masse bauen kann. Das, was die Leute wollen, will aber die Planung nicht. Viertel wie zum Beispiel in Haidhausen: eine ganz dichte Bebauung mit Hinterhöfen und davor eine Parkanlage. Freiham ist ein Beispiel, wie man es nicht macht. Dort hat man kein wirkliches Stadtviertel mit urbaner Qualität geschaffen.
Und warum nicht?
Man hat in München viel versäumt und versäumt es auch weiterhin, weil die aktuelle Stadtregierung nicht daran interessiert ist. Der jetzige OB ist ein Kind seines Ziehvaters Christian Ude, der den Mangel verwaltet hat. Dieter Reiter macht im Endeffekt nichts anderes: Politik für Mieter, die hier wohnen, und sicherlich nicht für Menschen, die nach München ziehen wollen. Denn die suchen Wohnraum.
Was bedeutet das für junge Familien, die ein Eigenheim kaufen wollen?
Es ist schwierig, wir haben in München ein Preisniveau beim Neubau von 8000, wahrscheinlich sogar eher 9000 Euro pro Quadratmeter. Im Umland findet man auch nichts, weil das Bauen teuer ist. Da nutzt es dann auch nichts, wenn das Grundstück ein bisschen günstiger ist.
Heißt das „Aus der Traum vom Eigenheim“?
Ich glaube, dass man durch Stadtentwicklungsmaßnahmen schon etwas machen könnte. Die Stadt müsste dazu im größeren Stil denken, einen größeren Wurf machen. Den kann ich aber nur machen, wenn ich solche SEM nicht im Klein-Klein mit der Bürgerbeteiligung dezimiere oder über Jahrzehnte verzögere. Wir brauchen den Wohnraum. Aber München tut sich schwer, in der Stadt etwas zu entwickeln. Solange das so ist, wird’s schwierig.
Welche Auswirkungen hat das Benko-Desaster?
Die Benko-Projekte werden realisiert werden – aber eben von anderen. Und mit einer Verzögerung. Bevor dort jemand einsteigt, wird es bei den laufenden Baustellen viele Dinge zu klären geben, ehe der Insolvenzverwalter ein Projekt weitergeben kann.
Haben Sie Angst, dass die Innenstadt ausblutet?
Es gibt zwar Objekte wie den ehemaligen Kaufhof, bei dem leider die Zwischennutzung nicht funktioniert hat. Dass die Innenstadt ausblutet, glaube ich aber nicht.
Wo sehen Sie den Münchner Immobilienmarkt in einem bzw. in fünf Jahren?
Der Immobilienmarkt entwickelt sich in Fünf-Jahres-Zyklen. Wenn jemand zum Beispiel ein Haus verkaufen und warten will, dass sich der Preis entwickelt, der sollte seine Entscheidung für fünf Jahr treffen. Wir haben keine Börse, an der der Kurs in einem Jahr ein ganz anderer ist. Die Glaskugel, die uns sagt, wie der Markt in fünf Jahren aussieht, haben wir aber alle nicht.
Das Interview führte Andreas Daschner