Sie soll nach Sturz im Bus zahlen

von Redaktion

VON REGINA MITTERMEIER

Ursula Grolla (84) steht an der Bushaltestelle Siegfried-Mollier-Straße nahe dem U-Bahnhalt Quiddestraße. Bald ein Jahr liegt ihr Sturz in einem Bus der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hier in der Nähe zurück. Sie knallte damals mit ihrem Kopf gegen eine gläserne Trennscheibe im Bus. Die Folgen spürt die Neuperlacherin heute noch, sie brach sich einen Brustwirbel und kann einen Finger nicht mehr gut bewegen. Und ihr Ärger ist geblieben! Denn: Ihre Haftpflichtversicherung soll den Schaden an der Scheibe zahlen – wohl rund 1000 Euro. Das sieht sie nicht ein.

Ursula Grolla weiß noch: Sie stieg am 23. Januar gegen 15.10 Uhr in den Bus. „Er ist losgefahren und hat nach einem kurzen Stück gebremst.“ Sie stürzte – und die Scheibe ging zu Bruch. Der Busfahrer brachte sie zum nächsten Halt Thomas-Dehler-Straße, dort kümmerten sich Fahrgäste und Sanitäter um sie. Grolla wurde von der Polizei befragt – und kritisiert im Nachgang, sie sei vorverurteilt worden. Sie erinnert sich: „Es ging um den Vorwurf, ich hätte mich nicht festgehalten.“ Grolla, vom Sturz noch benommen, unterschrieb die Zeugenaussage, in der das vermerkt wurde. Für sie beziehungsweise ihre Versicherung kann genau dieser Punkt teuer werden. Denn: „Nach der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr sind Fahrgäste dazu verpflichtet, sich festen Halt zu verschaffen“, erklärt MVG-Sprecher Maximilian Kaltner. Wenn jemand das nicht tut, kann er für eventuell dadurch entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.

Für die MVG ist der Fall der Neuperlacherin klar. Denn alle Busse sind videoüberwacht, sagt Kaltner. Damit sie in Fällen wie dem von Ursula Grolla Licht ins Dunkel bringen. Laut Kaltner passierte damals Folgendes: „Die Dame hat in ihrer linken Hand zwei Einkaufsbeutel gehalten und sich durch den Bus bewegt, ohne sich festzuhalten.“ Sie habe beim Anfahren das Gleichgewicht verloren und sei seitlich gegen die Trennscheibe hinter der zweiten Türe gestürzt. „Die Einkaufsbeutel hat sie die gesamte Zeit in der Hand behalten.“

Grolla hält dagegen: „Ich hatte gleich nach dem Einsteigen nicht genug Zeit zum Festhalten. Deswegen bin ich auch gegen die Scheibe nahe der Tür gefallen.“ Sie ist überzeugt, der Busfahrer hätte ihr mehr Zeit geben müssen und nicht so schnell losfahren dürfen.

Was danach passierte, kann die Polizei nicht detailliert prüfen. „Aber in der Regel“, erklärt ein Sprecher, „entscheiden wir zuerst, ob Betroffene vernehmungsfähig sind.“ Bei Ursula Grolla sei das demnach der Fall gewesen. Danach werde dann eine Zeugenaussage aufgenommen, die der Zeuge unterschreibe.

Grolla hat unterschrieben – das bestätigt sie. „Ich war so im Schock“, sagt sie. So oder so ist sie der Meinung, dass in diesem Fall nicht sie die Schuldige ist – eben weil ihr nicht genug Zeit zum Festhalten blieb.

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