Krapfen und Orden

von Redaktion

MARTIN ZÖLLER

Es sollte eine Auszeichnung „Münchner des Wochenendes“ geben. Wäre doch ein schöner Termin für den Oberbürgermeister, sagen wir jeden Dienstag um 10 Uhr. Den Montag über könnten seine Mitarbeiter geeignete Kandidaten suchen, und am Dienstagmorgen gäbe es einen kleinen Festakt bei Krapfen und Kaffee: „So, liebe Frau Müller, Meier, Huber: Für die Rettung der Katze aus der Isar erhalten Sie hiermit die Auszeichnung Münchnerin des Wochenendes.“ Oder so. Gäbe es die Auszeichnung jetzt schon, hätte ich drei Vorschläge.

Da wäre erst mal die fleißige J., die am Samstag jenen fulminanten Faschingsauftakt in meiner Pfarrei organisierte, den ich bis heute in den Knochen habe, Vorschlag zwei wäre unser kleiner Bäcker um die Ecke mit den besten Krapfen der Welt. Vorschlag drei das unbekannte Ehepaar mit Schal, Mütze und selbst gebasteltem Plakat am Sonntagnachmittag bei der großen Demonstration auf der Leopoldstraße.

Die zwei standen da so felsenfest, unaufgeregt und klar, dass es mich wirklich berührte. Sie hatten kein polemisches Plakat gemacht, kein irgendwie originelles. Sie hatten einfach nach dem Kern gesucht, was sie wichtig fanden. An einen Besenstil geklebt stand da: „Aufstehen für Demokratie.“ Eine positive und grundsätzliche Botschaft. Nichts ist selbstverständlich.

Indem ich das nette Rentnerehepaar als „Münchner des Wochenendes“ vorschlage, sage ich natürlich auch, dass ich selber es nicht bin. Zwar war ich auf der Demo, aber ohne Schild und großen Aufwand: Wir kamen zu spät, und kaum waren wir da, wurde wegen Überfüllung abgebrochen. Trotzdem habe ich natürlich ein Foto rumgeschickt und bekam so viel Schulterklopfen, dass es mir fast peinlich war. Deshalb noch mal: Ich bin relativ spontan mit der U-Bahn hin und mit der S-Bahn wieder weg. Aber klar, zu meiner Ehrenrettung: Ich bin bewusst hingefahren, das schon. Es war bewegend, dort gewesen zu sein – und je mehr normale Menschen auf eine so grundsätzliche Demonstration gehen, umso besser. Bisher war ich nur auf Spezialdemos: Einmal als Student, dann mal mit meinem Bruder in den 80er-Jahren: „Gleichberechtigung beim Fernsehen“ forderten wir, bemalten Plakate und demonstrierten vor meinen Eltern.

Heute gibt es wichtigere Themen. Und wenn es schon nicht der OB macht: Hiermit verleihe ich dem Rentnerehepaar mit Schal und Mütze und dem selbst gebastelten Schild die Auszeichnung „Münchner des Wochenendes“.

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