„Wir bauen Adele eine eigene Welt“

von Redaktion

VON JOHANNES LÖHR UND GEORG ANASTASIADIS

Euphorie und Erleichterung sind mit Händen zu greifen im Hotel Bayerischer Hof. Veranstalter Klaus Leutgeb erblickt Münchens Wirtschaftsrefent Clemens Baumgärtner, fällt dem CSU-Mann um den Hals und haut ihm auf die breiten Schultern wie auf einen Ambos. „Gestern um 22.30 Uhr war alles erst in trockenen Tüchern“, ruft er den Reportern des Münchner Merkur zu, die an diesem exklusiven Treffen am Mittwoch teilnehmen dürfen. Konzertmanager-Legende Marek Lieberberg pflichtet bei: „Dafür, dass das Projekt ein Jahr Vorlauf hatte, haben wir auf den letzten Metern unfassbar sprinten müssen.“

Doch es ist geschafft, und Adele selbst teilte es ihren Fans auf der ganzen Welt via Instagram mit: Gestern Morgen um Punkt acht Uhr postete sie ein mondänes Schwarz-Weiß-Foto von sich, dazu in weißen und goldenen Lettern: „Adele in Munich“.

Es ist eine Sensation. Der 35-jährige Superstar („Rolling In the Deep“, „Chasing Pavements“, „Hello“), wird im August vier Konzerte in München geben, auf dem Messegelände wird eigens eine Open-Air-Arena für 80 000 Menschen aus dem Boden gestampft. Sie wird 300 Meter Durchmesser haben und vom Münchner Florian Wieder designt, einem Star der Szene, der bereits Beyoncé, Rammstein und vielen mehr die Bretter baute, die die Welt bedeuten (außerdem die Bühnen des ESC, der Emmys und der Grammys). Seit 2016 ist Adele nicht mehr in Europa aufgetreten – und die Konzerte in der Isarmetropole werden die einzigen sein. Bei genügend Nachfrage könnten es bis zu zehn werden.

Da sitzen nun also Leutgeb, Baumgärtner, Wieder und Lieberberg unter Ölgemälden, Stuck und Blattgold und sind immer noch fassungslos, dass sie diesen Coup für München an Land gezogen haben. Am Ende musste Designer Wieder noch konkretere Darstellungen seiner Bühne liefern – darum der Stress auf den letzten Metern. „Adele gehört zu der Kategorie Künstler, die alles selbst entscheiden – und höchste Ansprüche haben“, erklärt er. Sie sagte Ja.

Da ist schon Historisches gelungen, das wird hier deutlich. Denn das Rennen hätte doch eindeutig auch zugunsten von Metropolen wie London oder Paris ausgehen können. Am Ende einigen sich die vier aufgekratzten Herren darauf, dass es nur als einträchtiges Gespann funktionieren konnte: Dem Österreicher Leutgeb nimmt man mit seiner Hipster-Hornbrille die Rolle des positiv Verrückten ohne Weiteres ab. Ursprünglich hatte er Riem als Veranstaltungsort ja nur für sich entdeckt, weil er per Google erfahren hatte, dass hier 2006 auf dem Freigelände 250 000 Menschen Papst Benedikt gelauscht hatten. Man glaubt ihm also auch, dass er vor zwei Jahren einfach die Idee für die Konzertreihe hatte. Er und Wieder stießen mit ihrem Ansinnen auf Interesse. „Im August 2023 haben wir Adele zum ersten Mal in L.A. getroffen“, sagt Leutgeb.

Das Konzept ist für einen Künstler verführerisch: Die Sängerin bekommt in Riem eine Bühne auf den Leib geschneidert. „Ein eigene Welt, die sie nach Belieben besitzt“, erklärt Florian Wieder. Derzeit gastiert der Superstar in Las Vegas – insgesamt 50 Wochenenden lang. Die Riemer Bühne sei der Intimität der Casino-Shows nachempfunden, sagt der Designer. „Adele quatscht ja unglaublich gerne mit ihrem Publikum – und wir skalieren das einfach hoch.“ Es gebe also viele Laufstege, „sie wird ordentlich Meter machen. Irgendwann wird für jeden der 80 000 der Moment kommen, in dem er ihr nah ist.“ Dieser Auftritt sei nicht vergleichbar mit einem normalen Konzert, das schon allein durch den stetigen Auf- und Abbau im Rahmen einer Tournee limitiert sei. Wieder ist sich sicher: „Es werden die besten Konzerte, die Adele je gegeben hat.“

Clemens Baumgärtner wiederum hatte nicht eben dünne Bretter zu bohren. Er will in der Zeitung keine Details lesen – aber das Projekt hatte in Teilen der Stadtverwaltung keinen leichten Stand. Er zeigt sich insbesondere erfreut für die Messe. „Sie wird als Konzert-Standort gestärkt – was auch wichtig wird, wenn der Olympiapark einmal saniert wird.“ Dieser werde durch die Großveranstaltung keineswegs geschwächt. „Er ist voll ausgebucht.“

„Dann steht deiner Heiligsprechung ja nichts im Weg“, flachst Marek Lieberberg. Der 77-Jährige hat mit seinen Rolling-Stones- und Michael-Jackson-Konzerten in den Achtzigerjahren Pop als Großereignis in Deutschland etabliert. Aber auch ihm ist anzusehen, dass das hier etwas Besonderes ist – das freilich nicht ohne sein Netzwerk hätte gelingen können. Aber er betont: „Wir haben Adele gegenüber ganz bewusst München als Argument ins Feld geführt.“

Die Stadt ist wohl tatsächlich der Trumpf dieser Bewerbung. Zentral gelegen für einen Zustrom aus ganz Europa, mit einem Flughafen und einer Infrastruktur, die einmal im Jahr auch das größte Volksfest der Welt verkraftet. Und: „München ist eine Großstadt wie keine andere“, schwärmt Lieberberg. „Andere Städte haben Geschichte, sind aber geschichtslos.“

Adele zeigt sich auf Instagram selbst etwas überrascht von ihrer Wahl. Eigentlich sei sie ja zufrieden mit dem Engagement, das sie derzeit in Las Vegas hat, mehr hätte es nicht gebraucht. Allerdings habe sie das Angebot schon neugierig gemacht: „Ein einmaliges, maßgeschneidertes Pop-up-Stadion, designt für jede Art von Show, die ich da auf die Bühne stellen will? Ohh!? Von jetzt auf gleich, mitten in Europa? In München?“ Und dann bricht die Begeisterung aus ihr heraus: „Es ist ein bisschen zufällig, aber trotzdem sagenhaft! Gleich nach der Fußball-EM? Und mit den Olympischen Spielen nebenan? Und mit einigen meiner Lieblingskünstler, die auch Shows spielen?“ Da meint sie wohl die Kollegen von Coldplay, die am 15., 17. und 18. August im Olympiastadion auftreten. Jedenfalls lautet ihr Fazit: „Aber klar doch!“

Die Begeisterung teilt sie mit dem Münchner Organisatoren-Quartett. Für das ist der Adele-Coup ein Meilenstein – und Blaupause für Konzertreihen ähnlicher Art in der Zukunft. Sie selbst hängt das Ganze etwas niedriger: „Ich könnte mir keine wundervollere Art vorstellen, meinen Sommer zu verbringen“, schreibt sie auf Instagram. Und verabschiedet sich auf Deutsch: „Guten Tag, Babes!“

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