Mandy Werner (46) ist immer noch schockiert, wenn sie das Schreiben der städtischen Wohnungsgesellschaft GWG (mittlerweile Münchner Wohnen) in Händen hält. Fest umklammert sie den Zettel ihres Vermieters mit den Heiz- und Betriebskosten aus dem Jahr 2022. Werner und ihr Partner mussten insgesamt 3065,73 Euro nachzahlen! Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Betrag mehr als versechsfacht! Damals zahlte sie noch 450,03 Euro, ähnlich wie in den Jahren zuvor. „Wir dachten, das muss jetzt ein Fehler sein“, sagt sie.
Die Medizinisch-technische Assistentin lebt mit ihrem Partner auf 44 Quadratmetern in Harlaching direkt am Klinikgelände. „Mit so einem Betrag hätten wir niemals gerechnet.“ Doch schnell wurde klar: Es trifft nicht nur sie. Auch bei ihren Nachbarn in der städtischen Wohnanlage sind teils ähnlich hohe Nachzahlungen fällig geworden. Die Münchner Wohnen bestätigt das nach einer „stichprobenhaften Überprüfung“, wie sie auf Anfrage mitteilt.
Und das Haus in Harlaching ist kein Einzelfall: Bereits vergangenen Oktober berichtete unsere Zeitung über eine GWG-Wohnanlage im Harthof, in der Mieter Nachzahlungen von bis zu mehr als 2000 Euro leisten mussten. Ein Hauptgrund bei vielen Betroffenen: extrem hohe Heizkosten.
Die Linkspartei im Stadtrat hat nach dem Bericht kürzlich Aufklärung gefordert. Mithilfe von Experten habe man errechnet, dass Bewohner im Harthof im Jahr 2022 phasenweise „wesentlich mehr“ für die Kilowattstunde Gas bei den Stadtwerken zahlen mussten als den Grundtarif anderer Kunden – vor allem während der Preisanstiege durch die Energiekrise 2022, so die Linkspartei.
Die Münchner Wohnen entgegnet: Sie habe einen speziellen Vertrag mit den Stadtwerken, dessen Preis sich quartalsweise an den des Energiemarkts anpasst. Dieser Vertrag sei „grundsätzlich“ günstiger für die Mieter als der Grundtarif. Vor allem jetzt, wo die Preise wieder fallen, rechne die Münchner Wohnen mit einer deutlichen Entspannung. Fälle aus dem Jahr 2022 müsse man erst noch prüfen.
Der Frust bei vielen Mietern ist jedoch groß. „Fast täglich erreichen uns Zuschriften mit Beschwerden“, sagt Stadtrat Stefan Jagel (Die Linke). Rund 40 Mietparteien städtischer Wohnanlagen in Sendling-Westpark, Bogenhausen oder Harlaching hätten sich innerhalb rund einer Woche bei ihm gemeldet. Immer geht es dabei um hohe Nachzahlungen von bis zu 3000 Euro. Unserer Zeitung liegt auch ein Fall einer städtischen Wohnanlage aus Feldmoching vor, wo stark gestiegene Heiz- und Betriebskosten zwei sozial schwache Seniorinnen „extrem belasten“, wie ihr gesetzlicher Vertreter schildert. Er will nun sogar klagen.
„Die Betriebs- und Heizkostenabrechnungen haben bei vielen zu existenziellen Problemen geführt“, sagt Stadtrat Jagel. Auch Mandy Werner aus Harlaching trifft es hart: „Das geht stark an die Ersparnisse.“ Die hohen Heiz- und Betriebskosten brachten ihren Haushaltsplan ganz schön durcheinander. Zumal sie zuletzt häufiger unbezahlten Urlaub nehmen musste, um Zeit mit ihrer schwer kranken Schwester verbringen zu können.
Werner hatte im Dezember Widerspruch gegen die Abrechnung eingelegt – kurz nach Erhalt des Schreibens. Seitdem herrsche Funkstille: „Einfach keine Antwort auf meine Fragen zu erhalten, verstärkt meinen Ärger“, sagt sie. Die Münchner Wohnen verweist auf viele „sehr zeitintensive“ Anfragen, die sie derzeit bearbeiten müsse – deswegen dauere es. Man werde so rasch wie möglich auf die Mieter zukommen. Zu dem Einzelfall von Mandy Werner könne man sich nicht äußern – der Fall müsse erst überprüft werden.
Nur dass der Verbrauch der gesamten Wohnanlage „weit über dem Durchschnitt“ liege, habe man festgestellt. Werner entgegnet, dass sie an ihrem Heizverhalten nichts geändert habe: „Wir heizen nur das Wohnzimmer – das kann doch nicht der Grund sein.“ Der Münchner Mieterverein sagt zu ihrem Fall: „Eine Versechsfachung erscheint sehr hoch.“ Das sei ungewöhnlich – auch im Jahr der Energiekrise. Mandy Werner erhofft sich Antworten auf ihre Nachfragen. Das Warten wird für sie zur Last.