Neulich begegnete er mir wieder: der Windbeutel. Nein, nicht, was Sie denken! Kein charmanter Mann, Mischung aus Stenz und Sprücheklopfer. Kein hübscher Kerl, der jeden Schmäh draufhat. Klar, der is scho für a Zeitl unterhaltsam, aber wirklich dahinter ist halt eher – nix. Eine schillernde Seifenblase von Mensch, die jeder gern sieht. Diejenigen freilich, die auf Dauer hoffen, müssen einem leidtun.
Ich traf meinen Windbeutel allerdings in einer kleinen Konditorei. Vielleicht verdankte er seine Existenz der Faschingszeit und dem Spaß des Handwerkers an rarem Gebäck; jedenfalls kaufte ich das fragile Gebilde sofort, obwohl ich eigentlich nur Frühstückssemmeln brauchte. Einen Windbeutel, solch ein luftiges Fast-Nichts aus Teig und Schlagrahm, lässt man sich nicht entgehen. Natürlich ist das Fast-Nichts eine schmackhafte Lüge. Wenig Teig, zugegeben, ABER der Rahm, der hat’s in sich. Nach dem Schnabulieren bin ich immer noch nicht satt, trotzdem ist mir ein bissl schlecht vom Fett. Denn ein gscheider Windbeutel bietet eben keinen Wind, sondern reichlich, reichlich Schlagrahm.
Glücklicherweise hatte ich ein traumhaftes Exemplar seiner Art ergattert. Der Brandteig war zart und leicht knusprig, und (für Norddeutsche) die Sahne war total frisch und ohne jeglichen Konservierungsstoff. Das ist höchst zu loben! Mit Ekel denke ich an ruchlose Windbeutel-Verwandte. Sie quälen den Essenden mit einer Hülle, deren Substanz so zäh ist, dass man mit ihr guten Gewissens wegfliegende Boeing-Flugzeugteile wieder anpappen könnte. Und das Innere ist so kompakt und langlebig, als wollte es sich als Zementersatz empfehlen. Mit „Wind“ und „Beutel“ assoziiert niemand diese Schande des Konditorhandwerks.
Wahrscheinlich taucht dieses exquisite Teilchen wegen der notwendigen Kunstfertigkeit in der Herstellung so selten auf wie seine kleinen europäischen Geschwister Profiterole und Eclair. Machen halt viel Arbeit, und man kann dennoch nicht allzu viel Geld dafür verlangen. Deswegen haben es Besonderheiten wie Salzburger Nockerln, jene ahnungslose Touristen erschreckenden Eischnee-Gebirgsmassive, und Marillen-/Zwetschgenknödel genauso schwer wie unsere Dampfnudeln.
„Willst du was Gefülltes, dann bleib bei unseren Krapfen“, denken sich die Bäcker; „schließlich schießen wir dir jede denkbare Geschmacksrichtung und -verirrung ins Schmalzgebäck“. Aussterben wird der Windbeutel trotzdem nicht – dank kleiner Konditoreien und meines Schleckermauls.
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