Wenn sich die Menschheit erhebt

von Redaktion

SIMONE DATTENBERGER

Neulich las ich in der Zeitung über eine Künstlerin, die sich dagegen wehrt, dass ihre Arbeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) verwurstet werden. Sie pocht auf ihr Urheberrecht. Ob mit Erfolg oder nicht, das steht in den juristischen Sternen; die blinken mal so und mal so. Verlage sind ebenfalls auf der Hut und versuchen, mehr oder weniger verzweifelt zu kontrollieren, was und wie viel Tech-Firmen bei ihnen abschöpfen, abgreifen, abfischen, kurz: räubern. Denn Chat-GPT und Konsorten, die Bilder, Musik, Texte und anderes erstellen und/oder fälschen, wissen ja nichts aus sich heraus. Solche Modelle müssen all den menschlichen Geistesreichtum aufsaugen, um irgendwas daraus zu basteln, was so ausschaut, als hätte es ein humanes Hirn geschaffen.

Natürlich kann man sagen, dass alles, was wir heute entwickeln, egal in welchem Bereich, auf dem aufbaut, was unsere Vorfahren ergrübelt haben. Also: kein computerisierter Traktor 2024 ohne den babylonischen Bauern, der den Saatpflug vor über 3000 Jahren erfunden hat. Klar, bahnbrechende, genialische Geistesblitze kommen a) nicht allzu oft vor und b) eben auch nicht aus dem Nichts. Demnach gehören sie nur uns analogen Menschen; wir haben sie schließlich gezündet – allein, ohne Maschinen! Logischerweise muss alles, was KI-Firmen durch uns verdienen, an uns zurückfließen. Na ja, sind wir nicht kleinlich, sagen wir 95 Prozent. Fünf Prozent für die selbst gestrickten Programme sind doch okay!?

Es sollte sich doch eine Anwaltskanzlei finden lassen, die im Namen der ganzen Menschheit seit dem Homo sapiens gegen besagte Unternehmen klagt. Am besten fragen wir Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort, die VG Bild und die GEMA, die die Musik betreut, um Rat. Die artifiziell konstruierenden Programme werden unter dem finanziellen Druck auf die Bereiche schrumpfen, für die sie wirklich von Nutzen sind. Dann können Zeitungsverlage genauso aufatmen wie die lebende Komponistin und der tote Mozart auf seiner Töne-Wolke im Himmel, der Filmemacher wird sich genauso freuen wie die Höhlenmalerin auf einer Farben-Wolke, wie die Dichterin und der Designer. Und die ganze Menschheit ist erleichtert.

Aufstöhnen werden die paar Schüler und Studierenden, die partout ihre kleinen grauen Zellen nicht anstrengen wollen. Aber spätestens, wenn ein Bagger wieder mal Kabel herausreißt und der Strom ausfällt, sind auch sie froh. Denn ihre Köpfchen sind längst so gut trainiert, dass sie Probleme im Nu lösen. Und wenn das Hirnschmalz bloß signalisierten: abwarten und Tee trinken!

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