Eltern planen Protest gegen Kita-Gebühren

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Wenn sich Tobias Cloppenburg-Baumann auf Spielplätzen mit anderen Eltern unterhält, gibt es nur noch ein Thema: die Kosten für die Kinderbetreuung. Noch sind sie für alle Familien in München moderat. Das könnte sich bald ändern. Einige Familien haben bereits Briefe von den Trägern ihrer Kitas bekommen, in denen steht, dass sie künftig doppelt oder dreimal so viel zahlen müssen wie bisher. Von bis zu 1200 Euro ist die Rede. „Andere fürchten, dass dieser Brief bald kommt“, berichtet der 44-jährige Vater.

Die Stadt muss wegen eines Gerichtsurteils ihr Fördersystem ändern. Bisher galt die Münchner Förderformel. Die Träger bekamen 465 Euro pro Monat und Kind von der Stadt, wenn sie sich an dem System beteiligten. Dafür mussten sie aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ein Träger, der die Zuschüsse nicht bekam, klagte – das Gericht kippte daraufhin das gesamte System. Fördergelder dürften nicht an Bedingungen geknüpft sein, lautete die Begründung. Und die Stadt war wie berichtet gezwungen, ein neues System zu finden. Mittwoch in einer Woche soll es im Stadtrat beschlossen werden. Doch schon im Vorfeld haben viele private Träger angekündigt, auszusteigen. Denn beim geplanten Defizitausgleichsystem würde die Stadt nur die Defizite zwischen Einnahmen und Ausgaben zahlen, viele private Träger würden sich schwertun, noch Gewinne zu erwirtschaften. Büßen müssen das die Eltern – entweder durch hohe Gebühren oder weil sie für ihre Kinder neue Betreuungsplätze suchen müssen.

„Viele wissen nicht, ob es sich künftig noch lohnen wird, dass beide Elternteile arbeiten, wenn sie so viel für die Betreuung der Kinder bezahlen müssen“, erklärt Cloppenburg-Baumann. Die Sorgen der Eltern sind groß – der Ärger auch. Deshalb haben sie für morgen eine Protestaktion organisiert. Um 15.15 Uhr treffen sie sich mit Kindern am Odeonsplatz, von dort wollen sie bis zum Marienplatz ziehen. „Außerdem werden wir der Stadt bald eine Unterschriftenliste überreichen“, kündigt Cloppenburg-Baumann an, der den Protest gemeinsam mit fünf anderen Eltern organisiert hat. „Wir wissen, dass wir nichts mehr daran ändern können, dass das neue System kommt“, betont er. „Aber dann muss uns die Stadt eine Garantie auf bezahlbare Plätze geben. Es ist eine Lotterie, wer einen Platz in einer städtischen Kita bekommt – das ist unfair.“

Die Stadt muss das neue System beschließen, erklärt Florian Kraus, Leiter des Bildungsreferats. Sonst gäbe es gar kein Fördersystem mehr und damit für keine Familie Zuschüsse. Seit dem Gerichtsurteil im Herbst 2021 seien etliche Alternativen geprüft und diskutiert worden. Zum Beispiel eine Variante, bei der die Stadt auf die staatliche Förderung einen Prozentanteil drauflegt. Damit wäre aber die Chance verloren gegangen, in Vierteln mit erhöhtem Betreuungsbedarf einen höheren Anstellungsschlüssel zu halten, erklärt er.

Viele Münchner Eltern fragen sich gerade, wie Berlin es schafft, den Familien beitragsfreie Kitas zu ermöglichen. Auch das kann Kraus erklären: „Berlin konnte sich als Stadtstaat die rechtliche Grundlage dafür schaffen.“ Das habe München auch versucht, die Stadt hatte sich nach dem Gerichtsurteil dafür ans Sozialministerium gewandt. Der Vorstoß wurde aber abgelehnt, berichtet Kraus. Dass der Münchner Stadtrat das Defizitausgleichsystem nun beschließen wird, gilt als sicher. Die Zeit drängt. Nicht nur, weil bis September zur Einführung ein IT-System fertig sein muss. „Am 14. März beginnt die Platzvergabe für die Kitas“, erklärt Kraus. „Die Eltern brauchen bis dahin Klarheit.“ Fehlende Klarheit ist das, was Tobias Cloppenburg-Baumann und die anderen Eltern der Stadt vorwerfen. „Wir hängen total in der Luft.“ 500 Eltern haben sich bereits zur Demo angemeldet. Der 44-Jährige geht davon aus, dass es deutlich mehr werden.

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