Man muss ja Bairisch-Ferne nicht gleich mit dem berühmt-berüchtigten Oachkatzlschwoaf konfrontieren. Der Münchner Drehbuchautorin und Regisseurin Steffi Kammermeier geht es bei ihren Bairisch-Seminaren eher darum, dass zum Beispiel Schauspieler oder Moderatoren einen Bezug zum Bairischen bekommen – behutsam und ohne Tümelei. Im Interview erzählt Kammermeier, was sie am Bairischen liebt und vermitteln will.
Wie kamen Sie auf die Idee Ihres weiß-blauen Unterrichts?
Die Initialzündung war „Dahoam is Dahoam“. Da wurde sich im Drehbuch auf ein gemeinsames Dorf festgelegt, also mussten alle ein bestimmtes Bairisch sprechen. Die armen Hund!, dachte ich mir. Ich wollte ihnen helfen und fragte mich zunächst: Woran erkenne ich sofort den Preißn? Welche Fehler darf man nie machen?
Und welche sind das?
Zur Beruhigung für alle Interessenten: Es gab schon früher am Hof ein Amtsbairisch, das nahe am Standarddeutsch war. Es geht vor allem um den Sprachduktus, also wie der Bayer die Wörter zusammenzieht und trennt. Beim berühmten „Himmiherrgottsakrament“ wird das letzte „t“ von „gott“ schon mit dem folgenden „s“ verschliffen. Das Bairische verklebt die Konsonanten. Der Bayer hält viel von Ökonomie. In der Wirtschaft, in der Landwirtschaft und in der Sprache.
Wie macht er das genau?
Er schaut, dass er die Lautierung da hinlegt, wo der Laut vorher schon war oder wo der nächste sein wird. Beispiel: das Wort „einfach“. Wenn Sie das hochdeutsch aussprechen, muss die Zunge beim „n“ hoch an den Gaumen, dann wieder weg und die Zähne zwischen den Lippen den „f-“Laut bilden. Das ist anstrengend. Der Bayer spricht also „eimfach“. Die Lippen sind beim „m“ schon geschlossen, da ist es bis zum „f“ nicht weit. Ein weiteres Phänomen sind die Diphthonge.
Also Laute wie „ei“, „au“, „ui“ und so weiter?
Ja. Der Bayer hat drei „A“ und elf Diphthonge. Ich höre nicht auf, in den zwei Tagen Coaching falsch ausgesprochene Diphthonge zu korrigieren. „Oa“ für „Ein“ oder „Eine“ heißt nicht „Oaaa“, ein häufiger Fehler. Musikalische Menschen tun sich leichter mit neuen Dialekten. Was auch hilft, ist Singen im Unterricht.
Singen Sie auch mit Ihren Kunden?
Ja, auch Gedichte sind zum Einstieg sehr gut. Ein kleines gesungenes „Drunt in da greana Au“ lockert Geist und Zunge. Überhaupt ist das Loslassen sehr wichtig.
Wie meinen Sie das?
Das Zwerchfell freimachen, die Wampn raushängen lassen, die Haxn auseinander. Wenn das Zwerchfell locker ist, dann sinkt die Stimme automatisch ein bisserl. Auch das macht das Bairische so sympathisch, da ist gleich viel mehr Wärme drin.
Ist Ihr Kurs eine große Gaudi oder eher bierernst?
Die Teilnehmer schwitzen schon ganz ordentlich. Wir machen aber natürlich Pausen, und ich lockere auf, sorge für Abwechslung. Irgendwann geht es ans Lesen und Übersetzen. Die meisten Drehbücher sind ja auf Standarddeutsch verfasst, und wenn ein paar bairische Wendungen drin sind, ist das schon gut. Die Teilnehmer müssen dahin kommen, dass sie hören, was falsch klingt. Das ist schon mal viel wert. Am zweiten Tag schließlich werden Drehbuch-Szenen ins Bairische umgeformt. Wie kann ich etwas auf Bairisch formulieren, ohne den Inhalt zu verändern?
Statt „Was für ein gerissener Typ“ also „A Hund issa scho“?
Zum Beispiel. Oder die Aussprache bestimmter Wörter. Bei uns heißt es Kaffee mit Betonung hinten, Telefon mit Betonung vorne, Tunnel mit Betonung hinten und natürlich „der Butter“.
Ich habe auch schon „das Butter“ gehört.
Gibt es auch. Ich beschäftige mich seit 13 Jahren mit der Fülle an Dialekten in Bayern, schaue hin, wie sie sich wandeln oder was von ihnen übrig geblieben ist. Ich bin Jahrgang ’59. Als ich in die Schule kam, wurde uns deutlich zu verstehen gegeben, dass Mundart unerwünscht ist. Entweder man hat es nicht gelernt oder man schämte sich dafür – so weit war es gekommen. Und wer sich schämt, der wird leiser. Den Dialekt wiederzubeleben, ist Aufgabe meiner Generation als Großeltern. Wir können den Enkeln etwas mitgeben und wachhalten.
Bringt das was? Ist Sprache nicht dynamisch und ändert sich fortwährend?
Es würde ja schon sehr viel helfen, wenn die Lehrer außerhalb des Unterrichts mit den Schülern Bairisch sprechen. Kinder können locker unterscheiden, wann sie was sprechen. Das mache ich ja auch. Mit einem heimischen Handwerker red ich gscherter als, sagen wir, mit dem Oberbürgermeister. Obwohl der ja Bairisch kann. Man kann den Dialekt zumindest mobilisieren. Im Kurs kann ich froh sein, wenn die Sprachmelodie sitzt. Ich bin da nicht mehr so stur wie früher.
Viele Redewendungen sind ja ebenso vom Aussterben bedroht oder ausgestorben…
Ja, gerade im Bairischen gibt es sehr viele dieser herrlichen Wendungen, die ursprünglich aus dem Handwerk oder aus der Landwirtschaft stammen. Die Bildersprache geht verloren, weil diese Welt verloren geht. Wenn du zum Beispiel „saufst wie ein Bürschtenbinder“, dann kommt das daher, dass ein Bürstenbinder eine sehr staubige Arbeit zu verrichten hatte, wo er sich sozusagen immer von außen befeuchten musste.
Verraten Sie uns noch eine Ihrer Lieblingswendungen?
Mei, so auf die Schnelle… Zum Beispiel „In Abrahams Wurschtkessel“ (noch nicht geboren sein, d. Red.). Das ist so eine herrlich bildhafte Umschreibung.
Ich erinnere mich mit Schaudern an die „Sissi“-Filme, wo Gustav Knuth Bairisch radebrechte…
Ich weiß, was Sie meinen. Ich hätte Gustav Knuth, der ja gebürtiger Braunschweiger war, erst einmal beigebracht, nicht krampfhaft zu versuchen, einen ihm fremden Dialekt zu sprechen. Er hätte erst einmal die Lautierungsregeln, die Grammatikregeln und eben den Sprachduktus gelernt. Und man sollte auch nicht auf Teufel komm raus alles bavarisieren. Gerade heutzutage, wo es so viele Wörter aus dem Englischen gibt. Diese Anglizismen ins Bairische zu „übersetzen“, kann furchtbar schiefgehen. Der „Compjutabuidschirm“ ist schon grenzwertig. Und Sprache heißt für mich ja auch immer Heimat. Ich habe mich sehr verliebt in meine Heimatsprache.
Kommt irgendetwas an dieses Heimatgefühl über die bairische Sprache ran?
Vielleicht noch Gerüche.
Interview: Matthias Bieber