Kleine Münchner Wurstkunde

von Redaktion

VON STEPHANIE EBNER

Das Datum steht – zumindest der Legende nach – für die erste Münchner Weißwurst, die jemals serviert wurde. Das soll am Faschingssonntag im Jahr 1857 gewesen sein, im „Wirtshaus zum Ewigen Licht“ am Marienplatz. Wenngleich das Münchner Stadtarchiv an dieser Geschichte deutliche Zweifel verlautbaren lässt.

Wahrscheinlicher ist, dass die Weißwurst in ihrer heutigen Form schon deutlich älter ist. Die Münchner Weißwurst ist dick, kurz und wird nur stückweise verkauft. Nie als Paar. Es handelt sich bei der Weißwurst um eine Brühwurst.

Jede Metzgerei hat ihr eigenes Geheimrezept. Hauptbestandteile sind Kalbfleisch, Schweinerückenspeck, Eischnee und Kochsalz. Dazu wahlweise Petersilie, Pfeffer oder Zitronenzesten.

Münchens bekannteste Wurst wird traditionell frühmorgens hergestellt und vormittags als Brotzeit auf Märkten und in Wirtshäusern verzehrt. Selbstverständlich vor zwölf Uhr – denn die Münchner Traditionswürste dürfen das Zwölf-Uhr-Läuten nicht hören. Es wird vermutet, dass diese Vorgabe aus der Zeit vor der Erfindung der Kühltechnik stammt.

Ach ja, beim Kochen gibt es einiges zu beachten, wie uns Uschi Gaigl (53) von der Metzgerei Gaßner in München erklärt. Niemals die Würste im kalten Wasser aufsetzen! Sie verlieren sonst an Geschmack. Uschi Gaigls Tipp: „Weißwürste in kochendes Wasser, das gesalzen ist, legen. Bei geschlossenem Deckel 10 Minuten ziehen lassen.“ Wer will, gibt noch Petersilie oder einen Spritzer Zitronensaft mit ins Wasser.

Manche Einheimische zuzeln die Würste gern, das heißt sie schlürfen die Wurst direkt aus der Pelle heraus, ohne sie zu schälen. Denn bei der Weißwurst zieht man vor dem Verzehr immer die Haut ab.

Klar, die bekannteste Münchner Wurst ist die Weißwurst. Doch die Münchner Wirtshäuser und Metzger haben noch viel mehr traditionelle Wurstsorten zu bieten. Wir haben uns in der Theke von Innungsmeister Andreas Gaßner im Münchner Schlachthofviertel umgeschaut und dabei so manche beinahe vergessene Rarität entdeckt.

Wollwürste sind weiße, hautlose Würste aus Kalbs- oder Jungrindfleisch mit schwellenden Konturen und geringer Haltbarkeit. Man taucht die Wollwürste in Milch und brät sie dann bei großer Hitze, bis sie goldgelb sind. Auf diese Weise bleiben sie saftig. Dazu gehört ein warmer Kartoffelsalat. Wer will, genießt die „Nackerten“, wie sie im Volksmund wegen ihrer fehlenden Pelle auch genannt werden, mit Schweinsbratensoße. Der Name „Wollwurst“ kommt wohl daher, dass sich die rohe Wurst ohne Haut weich, also „wollen“ anfühlt.

Die Stockwurst sieht der Weißwurst zum Verwechseln ähnlich. Sie ist etwas dicker und kürzer. Daher auch der Name „Stock“ – von zusammengestockt. Vermutet wird, dass die Stockwurst älter als die Münchner Weißwurst ist. Ursprünglich bestand die Stockwurst vor allem aus Rindfleisch, weshalb sie auch deutlich herzhafter schmeckt als die Weißwurst. Heutzutage verwenden die Metzger für die Stockwurst meist ein Weißwurstbrät. Auch bei der Stockwurst handelt es sich um eine Brühwurst, die allerdings niemals gezuzelt wird. Uschi Gaigl weiß aus Erzählungen: „Die Stockwurst war in NachKriegszeiten die Wurst der armen Münchner, weil sie preisgünstiger war als die Weißwürste.“

Nur die alten Münchner kennen sie noch, deswegen ist sie meist nur auf Vorbestellung erhältlich: die Briesmilzwurst im Netz. Diese besteht aus Münchner Weißwurstbrät, Schweinefleisch und Milz. Zusätzlich zu den Milzstücken sind Briesstücke eingearbeitet. Gebräuchlicher ist jedoch die Milzwurst in Form einer Brühwurst, in der lediglich Milzstücke zu finden sind. Briesmilzwurst oder Milzwurst werden in circa ein Zentimeter dicke Scheiben aufgeschnitten und wie Schnitzel paniert in der Pfanne rausgebraten. Dazu isst man klassischerweise Kartoffelsalat.

Die Schweinswürstl sind herzhaft und würzig im Geschmack. Sie werden aus hochwertiger Schweineschulter und Schweinebauch hergestellt und mit ausgewählten Gewürzen verfeinert. Mit feinem Sauerkraut sind sie ein bayerischer Hochgenuss.

Heutzutage meist nur noch auf Volksfesten zu finden sind die weißen Bratwürste. Das Grundbrät ist angelehnt an das Gelbwurstbrät. Die Kalbsbratwurst hat einen feinen, zurückhaltenden Geschmack mit einem Hauch von Zitrone.

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