Ein Bollwerk aus Blumen

von Redaktion

VON GABRIELE WINTER

Der Anlass für das Blumenmeer ist ein sehr trauriger: Auf dem Mauervorsprung gegenüber der Villa Stuck stehen Porträts des kürzlich in russischer Lagerhaft zu Tode gekommenen Alexej Nawalny. Eine ältere Frau mit verweinten Augen legt gerade einen Strauß vor ein Bild des Dissidenten. Angesprochen schrickt sie zusammen: „Sind Sie vom KGB?“

Bald darauf kommt Irina Revina Hofmann im blauen Hosenanzug – darunter ein T-Shirt mit dem Aufdruck „No Putin – no war“. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine vor zwei Jahren trägt sie hauptsächlich die ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb und eine Anti-Putin-Handtasche. „Die Reaktionen sind gemischt“, erzählt sie. „Wenn ich damit unterwegs bin, ernte ich zum Teil böse Blicke. Aber mir wurden auch schon von Ukrainerinnen unter Tränen die Hände geküsst, als ich erwähnt hatte, dass ich Russin bin.“

Angst vor Repressalien oder gar um ihr Leben hat sie auch nach dem Tod von Nawalny in einem sibirischen Straflager nicht. Und das, obwohl ihre Wohnung in der Prinzregentenstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zum russischen Generalkonsulat liegt. „Ich fühle mich hier sicher und Deutschland ist inzwischen mein Zuhause. Aber ich will gegen Putins Propaganda ankämpfen. Man darf sich nicht an das Morden und den Krieg in der Ukraine gewöhnen, deswegen trage ich die Tasche.“ Ihre russische Staatsbürgerschaft hat Irina Revina Hofmann behalten, vor allem, weil sie bis vor drei Jahren immer wieder zu ihrer kranken Mutter nach Moskau reisen wollte.

Hofmann bewegt sich auch in wohlhabenderen Kreisen, die zum Teil Probleme damit haben, sich von Russland zu distanzieren. Kürzlich wurden Bilder von ihr auf Sardinien im Internet verbreitet. Auf denen war sie mit ihrer Anti-Putin-Tasche in einem von Putin-Anhängern besuchten Luxushotel zu sehen. Viele ihrer Landsleute hassen sie für solche Aktionen. „Alle russischen Chatgruppen, in denen ich aktiv war, haben mich rausgeworfen.“

Dennoch ist Hofmann gut vernetzt. Sie unterstützt die verbliebenen kritischen russischen Journalisten – zum Teil mit einer Unterkunft oder auch mit technischem Gerät.

So hat sie zum Beispiel für Journalisten der regimekritischen Novaja Gaseta Sprachgutachten zum Abschuss der Passagiermaschine über ukrainischem Gebiet 2014 in Auftrag gegeben. Das Ergebnis konnte dann vor dem Gericht in Den Haag verwendet und der Befehlshaber verurteilt werden.

Neben russischen Dissidenten fanden auch ukrainische Flüchtlinge bei ihr schon eine Unterkunft. „Einige beherberge ich immer noch.“ Die Ukraine versucht Irina auch noch anderweitig zu unterstützen. Im Moment organisiert sie beispielsweise die Lieferung von 1000 ausgemusterten Betten aus der Berliner Charité an ukrainische Krankenhäuser in Frontnähe. „600 sind schon da. Schlimm ist nur, dass dort sofort Verwundete liegen.“

Jedoch sind ihre Mittel begrenzt und nach dem Tod von Alexej Nawalny hat sich für sie einiges verändert: „Ich bin am Boden zerstört und ich muss mich sammeln, aber Alexej hätte gewollt, dass wir weiterkämpfen.“

Was die Ukraine betrifft, geht Hofmann davon aus, dass sie auch ohne Waffenlieferungen aus dem Westen weiterkämpfen wird: „Wenn wir keine Waffen mehr liefern, werden sie sich mit Steinen verteidigen.“

Artikel 8 von 9