Wie der Krieg die Getreidepreise beeinflusst

von Redaktion

VON SABRINA PROSKE

Auf dem Hof von Monika Hagl ist es ruhig um diese Jahreszeit. Zwei Traktoren stehen in der Sonne, der Lehrling trägt Futterweizen für die Hühner und Rinder in den Stall. „Das ist der Demo- Traktor“, sagt Hagl im Vorbeigehen und zeigt auf einen großen grünen Brummi. In bunten Lettern steht geschrieben: „Nicht vergessen, wir sorgen für euer Essen!“

Bereits ihr Vater ging in den 80er-Jahren in Brüssel für faire Preise und Planungssicherheit auf die Barrikaden. „Damals überschwemmte günstiges Getreide aus den USA den deutschen Markt“, erinnert sich die Landwirtin. Und das ist für Bäuerin Monika Hagl aktueller denn je. Denn seit letztem Sommer beschäftigte vor allem ein globales Ereignis die deutschen Bauern: der Ukrainekrieg und das Getreide, das den deutschen Handelsmarkt erreicht habe.

Die Auswirkungen spüren die Landwirte bis heute, so Hagl. „Die Lagerhäuser sind voll. Der Markt ist übersättigt.“ Daran erkenne man, so Hagl, wie die Landwirtschaft und der Agrarhandel auf der ganzen Welt zusammenhängen. „Wir sind nur ein ganz kleines Rädchen davon.“ Und das spürt dann auch die Landwirtin auf ihrem Hof im Münchner Westen.

Da Getreide überall auf der Welt gebraucht und gehandelt wird, wird der Preis am Weltmarkt bestimmt. Wie wirtschaftlich erfolgreich das Erntejahr wird, hängt also von Orten ab, die geografisch sehr weit von Hagls Aubinger Ackerfeldern entfernt liegen: die großen Handelsplätze für Getreide, die Börsen in Paris und Chicago. „Ich beobachte regelmäßig die Preise an der Börse und entscheide dann, wann ich verkaufe.“ Zu lange gewartet und im falschen Moment verkauft, kostet einen Landwirt Tausende von Euros. „Landwirte stehen immer unter Druck“, sagt die Landwirtin.

Hagl geht zu den Kühen und wirft ihnen eine Handvoll Futtergetreide in den Trog. „Das ist eine Weizen-Roggen-Mischung mit viel Protein“, sagt sie und lässt das gemahlene Getreide durch ihre Finger rinnen. „Die falschen Entscheidungen bei Getreide können dich ruinieren.“

Das vergangene Erntejahr begann für Hagl schleppend. Anhaltende Niederschläge führten zunächst zu Verzögerungen in der Getreideernte, die Mähdrescher konnten nicht ausrücken. Aus einem Teil ihres hochwertigen Brotweizens wurde minderwertiger Futterweizen. Monika Hagl musste hilflos zusehen, wie die Qualität ihres vielversprechenden Weizenbestandes von Tag zu Tag abnahm.

Dann kam Russlands Seeblockade im Schwarzen Meer. Die sorgte zunächst dafür, dass das ukrainische Getreide nicht mehr auf dem Weltmarkt zur Verfügung stand. Der Preis für Getreide stieg zunächst. Wenige Monate später änderte sich der Kurs im Schwarzen Meer und günstig produzierter Weizen überschwemmte Deutsch- land, so Hagl. Laut der Aubingerin gelangte vor allem Weizen, Raps und Mais in den Handel des EU-Binnenmarktes und sorgte in Deutschland für ein Überangebot. Die Preise sanken, manch bayerischer Bauer konnte sein Getreide nicht mehr verkaufen, beklagt die Landwirtin.

Belastbare Zahlen über die Menge an Getreide aus der Ukraine gibt es jedoch offiziell keine. „Das wundert mich nicht“, entgegnet Hagl. Die Zahlen würden verschleiert, erklärt sie. Die EU erfasst regelmäßig die Import- und Exportzahlen, wo die Ware erstmals EU-Raum betritt, erklärt BayWa-Sprecherin Antje Krieger. In den vergangenen sechs Monaten wurden acht Prozent mehr Weizen in die EU eingeführt als im Vorjahreszeitraum. In welche Länder diese Ware weiter verteilt wurde, geht aus den Statistiken nicht hervor.

„Da ist das Problem“, so Hagl. „Es wird nicht klar kommuniziert, wer das Getreide am Ende wirklich gekauft hat.“ Belastbare Hinweise darauf, ob das Getreide zum Preisdruck auf Bauern beiträgt, gibt es somit nicht. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen auf, dass 2023 circa 100 000 Tonnen Weizen importiert wurden. Eine durchschnittliche Ernte in Deutschland liegt bei 22 Millionen Tonnen pro Jahr. „Das ist marginal, was aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist“, heißt es vonseiten der BayWa.

Der Grund ist, dass in Deutschland der Selbstversorgungsgrad bei Brotweizen mit guten Backeigenschaften hoch ist, wir also in dem Fall nicht abhängig von Importen sind. Hagl reagiert darauf trocken: Deutschland sei zwar nicht darauf angewiesen, aber der günstige Preis bei ukrainischem Getreide spiele bei der Kaufentscheidung der Händler am Ende eben doch eine große Rolle.

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