Brückenbauen – übertragen gemeint – ist heute wichtiger denn je. Zwischendurch schadet es auch nicht, sich an Handfestes zu halten, finden wir. Das geht grad in München gut, dann Brücken gibt’s hier jede Menge. Wir haben ein paar an der Isar herausgepickt und Menschen gesprochen, die sich hier besonders gerne aufhalten.
• Thalkirchner Brücke: Stefan (67) und Bernadette (65) Böhm lieben die Gegend rund um die Thalkirchner, die fast jeder Tierparkbrücke nennt – sie führt nach Hellabrunn. Die Rentner sind oft hier an der Reißenden (das heißt „Isar“ im Wortsinn). „Wenn man an der Tierparkbrücke flussaufwärts schaut, fühlt man sich, als wäre man gar nicht mehr in der Stadt“, sagen sie. „Die Bäume schirmen auch in die andere Richtung die Häuser ab. Wir beobachten auch gerne, wie die Isar sich ändert. Bei Hochwasser schaut sie ganz anders aus.“ Diese Brücke wurde von 1989 bis 1991 als sogenannte Raumfachwerk-Konstruktion errichtet. Die Holzbrücke aus Fichtenleim- und Lärchenvollholz nutzte dabei die Betonfundamente der Vorgänger-Konstruktion, sodass kein Eingriff ins Flussbett nötig war. Die Konstruktion nach den Plänen des Münchner Architekten Richard Johann Dietrich (1938–2019) ist 197 Meter lang und weltweit eine der längsten ihrer Art.
• Flauchersteg: Der Steg am Südende des Flauchers verläuft über die Thalkirchner Überfälle, ein Wehr und mehrere Kiesinseln. Witzig: Das nördliche Drittel liegt im Stadtbezirk Sendling, die südlichen zwei Drittel über Thalkirchner Gebiet. Der kleine Grenzverkehr also. Und ein Lieblingseckerl der Familie Zachmann: Ralf (63), Christiane (59) und Luca sind zu jeder Jahreszeit hier. Und auch im Fluss, lacht Ralf: „Ich habe häufiger die Münchner beim Eisbaden gesehen und mir gedacht: Die spinnen. Aber ich fand’s bewundernswert. Vor zwei Jahren hat mich dann die Lust gepackt, und ich habe meinen Schweinehund überwunden. Jetzt kommen wir fast jede Woche her. Mittlerweile machen unsere Kinder und deren Freunde auch mit.“
• Braunauer Eisenbahnbrücke: Baubeginn war 1869, zwei Jahre später war sie fertig. Sie sollte einst als Teil der Bahnstrecke vom Hauptbahnhof nach Braunau am Inn dienen. Die drei Tragwerke der Brücke (Spannweite: je 48,5 Meter) wurden in Fachwerk-Konstruktion ausgeführt. Ein paar Jahrzehnte später reichte die Tragkraft nicht mehr – so wurde die Brücke 1958 auf denselben Pfeilern neu erbaut. Seit Jahren gibt es Debatten zwischen Stadtteilpolitikern und der Bahn um eine Erweiterung der Brücke um einen Geh- und Radlweg, zuletzt war auch ein Ausbau mit Bierbuden im Gespräch. Seit 2017 steht das Bauwerk unter Denkmalschutz.
• Wittelsbacherbrücke: Alle vier Bögen sind mit Muschelkalksteinen verkleidet. Ihre Tragfähigkeit: 60 Tonnen. Ihre Teamfähigkeit: riesig. Denn an der Au-Seite liegt eines der ältesten Münchner (Kult-)Standl. Betreiber André Löwig (64) sagt: „Mich begleitet die Wittelsbacherbrücke schon mein ganzes Leben.“ Und seit 20 Jahren auch beruflich. „Das war ja früher eine Brücken-Mautstation“, erklärt Löwig. „Bei der Heim-WM 2006 hatten die Obdachlosen von der Brücke zwei Fernseher und Receiver besorgt, von mir haben sie Strom bekommen. Am nächsten Morgen standen die Kabeltrommel und ausgeliehenen Tische fein aufgeräumt vor dem Laden.“ Heute, bedauert Löwig, werde die Brücke nicht mehr geschätzt. „Es geht schlimm zu, es gibt Vandalismus und Graffiti. Beim Denkmal rutschen die Leute zum Feiern runter und merken, dass sie die Leiter nicht mehr hochkommen. Dann muss die Feuerwehr ausrücken.“ Löwig weiß auch: „Diese Brücke war Asyl für Münchner, deren Häuser nach dem Krieg zerstört waren. Damals gab es sogar Postkarten mit der Adresse: ,Bogen drei unter der Brücke’.“
• Corneliusbrücke: Jeder Münchner war schon auf dem Isar-Balkon, auf dem immer wieder Veranstaltungen stattfinden. Die Corneliusbrücke verbindet die Isarvorstadt mit der Au. Erbaut wurde sie 1902. Besonders ans Herz gewachsen ist die Brücke dem Wirt der Deutschen Eiche, Dietmar Holzapfel (67). „Ich bin ein riesiger König-Ludwig-Fan“, sagt er, „er ist für die LGBT+-Bewegung eine Ikone.“ Vor zehn Jahren, zum 150. der Deutschen Eiche, wurde die Idee geboren, an der Corneliusbrücke eine Büste vom Kini aufstellen zu lassen. Schließlich stand hier seit 1910 eine in einer Marmornische in der Ecke der so beliebten Aussichtsplattform. Doch: Sie wurde im Weltkrieg eingeschmolzen, nur der Kopf überlebte die „Metallspende des Deutschen Volkes“. Und einige der Original-Steine. Doch der Kini lässt auf sich warten: Bevor die Ludwigsbrücke fertiggestellt ist, kann an der Corneliusbrücke nicht begonnen werden. Immerhin bleibt so Zeit für die Planung. 20 000 Euro hat die Stiftung „Ludwig II. Denkmal“ gesammelt, knapp die Hälfte der Kosten. Es gibt viel zu tun – etwa für eine Beleuchtung des Kini und die Imprägnierung der Steine kämpfen. Die Kommunikation mit der Stadt verlaufe „schleppend“.
• Maximiliansbrücke: Die Tram 19 schlängelt sich am Maximilianeum vorbei, und dann geht es stadteinwärts über die Brücke mit wunderbarer Aussicht über Fluss und Kanal, und zwar – wie die wohl schönste Tramlinie der ganzen Stadt – vom Maximilianeum kommend. Die östliche Brückenhälfte überquert die Kleine Isar und den Auer Mühlbach, die westliche verbindet das Westufer der Großen Isar mit der Praterbrücke. Die beiden Brücken von West nach Ost weisen eine Steigung von 1,7 Promille auf. Erbaut wurden sie unter Arnold von Zenetti zwischen 1857 und 1863. Die Brücke wurde notwendig, um die Maximilianstraße mit dem Maximilianeum zu verbinden, dem heutigen Bayerischen Landtag.
• Stauwehr Oberföhring: Ein lohnendes Ziel zu Fuß (vom Friedensengel ungefähr eine Stunde) ist das Stauwehr Oberföhring. Der Blick über die Isar ist wunderbar, und seit der Münchner Streetart-Künstler Loomit die Nordseite zusammen mit zwei Kollegen mit einem schönen, anspielungsreichen Wandgemälde verziert hat, bleiben auch viele beim Überqueren der Brücke stehen und schauen sich das Werk an. Das Gebäude umspannt knapp 80 Meter und wird von vier Bögen (Spannweite jeweils 17 Meter, Höhe 5,70 Meter) getragen. Loomit und Kollegen haben im Sommer 2022 rund 400 Quadratmeter gestaltet – auf 80 Metern Länge und fünf Metern Höhe. Allein für die Grundierung gingen 25 Liter Streichfarbe drauf: sieben Liter Grün, zehn Liter Blau und acht Liter Grau. Loomit erinnert sich: „Während der Arbeit kam ein Mann vorbei und sagte zu mir während des Grundierens: ,Das ist eine Strafarbeit!‘ – Da wusste ich: Der Mann kennt sich aus, er ist Maler.“ Die Oberfläche war furchtbar rau.