Max Tischler mag sein neues Zuhause – er betont das immer wieder. Vor zwei Jahren ist der 91-Jährige in ein Zwei-Zimmer-Apartment der Münchenstift in Schwabing gezogen. Er fühlte sich sofort wohl. „Das Personal ist nett, die Bewohner auch“, erzählt er. Und die Pflege sei hervorragend. Er fand schnell Anschluss, wurde bald in den Seniorenbeirat gewählt. Das Amt nimmt er ernst. Er will ein Sprachrohr für die sein, die ihre Meinung nicht laut sagen können oder es sich nicht trauen.
Zurzeit treibt die Bewohner ein Schreiben um, das im März an die Senioren im Betreuten Wohnen und in der Langzeitpflege verschickt wurde. Darin werden massive Kostensteigerungen ab Mai angekündigt. Die Bewohner müssen bis 27. März zustimmen. Andernfalls könnten sie den Vertrag für ihren Heimplatz kündigen. Über diese kurze Frist ärgert sich Max Tischler. Das sei nicht fair, viele Bewohner würden von der Preissteigerung völlig überrascht, betont er. „Münchenstift hat doch auch eine Fürsorgepflicht für uns Bewohner.“ Einige haben sich schon an ihn als Beirat gewandt, weil sie nicht wüssten, wie lange sie sich einen so teuren Heimplatz noch leisten könnten.
Der 91-Jährige ist enttäuscht, dass es keine Gespräche gibt, keine Beratung. Er versteht, dass die Kosten steigen. „Die Inflation hat ja alles teurer gemacht“, sagt er. In seinem Wohnbereich wurde noch keine Kostenerhöhung angekündigt. Aber er geht davon aus, dass das noch kommen wird. In den Briefen der anderen Bewohner hat er gelesen, dass der Preis für ein Zwei-Zimmer-Apartment um mehr als 900 Euro steigen wird – pro Monat. Dazu käme noch mal ein Aufschlag auf die Pflegekosten. Diesen riesigen Sprung findet er unverhältnismäßig.
Die enormen Kostensteigerungen treffen nicht nur die Senioren in den Münchenstift-Einrichtungen – sondern in allen Pflegeheimen. Dahinter stecken gestiegene Personal- und Sachkosten. Die Sachkosten sind durch die Inflation und gestiegene Energiepreise in die Höhe geschossen. Die Personalkosten durch Lohnerhöhungen in der Pflege. Der Sozialverband VdK, die Vereinigung der Pflegenden in Bayern und der Verband der Ersatzkassen forderten bereits im Sommer, dass diese Lohnerhöhung solidarisch auf alle umgelegt werden müssten. Das würde aber bedeuten, dass die Beiträge der Pflegeversicherung steigen.
Die Heime legen in den Pflegesatzverhandlungen alle Kosten offen, den Pflegesatz legt dann die Pflegekasse fest. Um die Heimbewohner zu entlasten, wurden vergangenes Jahr Zuschläge eingeführt und 2024 noch mal erhöht. Im ersten Pflegejahr beträgt der Zuschlag 15 Prozent, im zweiten 30 Prozent, im dritten 50 Prozent. Ab dem vierten Jahr gibt es einen Zuschlag von 75 Prozent.
Anna Schmid, Sprecherin der Münchenstift, räumt ein, dass die Preissteigerungen der Münchenstift groß seien. Sie betont aber auch: „Kein Bewohner der Langzeitpflege muss eine Münchenstift-Einrichtung verlassen, weil er sich den Eigenanteil nicht leisten kann.“ In diesen Fällen springt der Bezirk Oberbayern ein. Im Juli hatten 14 100 Menschen dort Hilfe zur stationären Pflege erhalten. Die Zahl der Fälle wird vermutlich verzögert ansteigen – die Hilfen werden gezahlt, wenn die Rücklagen bis auf ein Schonvermögen von 10 000 Euro aufgebraucht sind.
Max Tischler war sein Leben lang selbstständig. Deshalb bekommt er nur 200 Euro Rente. Er hat aber vorgesagt und immer gespart. Wie lange diese Ersparnisse reichen werden, weiß er nicht. „Ich will, so lange es geht, in der Münchenstift wohnen bleiben“, sagt er. Seine Zukunftsangst ist nicht so groß wie die der meisten anderen Bewohner. Tischler besitzt ein Haus, seine Frau lebt dort. Er könnte wieder dorthin ziehen, wenn er sich das Heim nicht mehr leisten kann. „Diese Sicherheit haben die meisten nicht“, betont er.