Das Problem begann im Jahr 1958. Der junge Franz Beckenbauer war kurz davor, vom SC 1906 München zum TSV 1860 München zu wechseln. Aber bei einem Turnier in Neubiberg lief er rein zufällig einem Sechziger-Spieler in die Faust – und beschloss deshalb, lieber in einer Giesinger Seitenstraße zur Lichtgestalt zu reifen. Ein paar Jahre später gab es ein ähnliches Drama um Gerd Müller: Zwei Münchner Fußball-Delegationen reisten am gleichen Tag nach Nördlingen, um das Stürmertalent unter Vertrag zu nehmen. Rein zufällig waren die Bayern schneller, angeblich weil sie das Auto nahmen und die Löwen den Zug. In anderen Worten: Mit ein paar Klimaklebern auf der Straße nach Nördlingen wäre der „Bomber der Nation“ ein Löwe geworden. Aber damals war ja noch nicht einmal die „vorletzte Generation“ geboren. Auch Philipp Lahm hatte als Elfjähriger einmal ein Probetraining bei den Sechzigern. Aber ihn störte, dass der Zaun hinter dem Tor so große Löcher hatte, auch das reiner Zufall. Der Rest ist Geschichte: Beckenbauer, Müller und Lahm gingen zum FC Bayern. Und der wurde deshalb rein zufällig 33-mal Deutscher Meister.
Die Löwen sind so etwas wie der Peter Sellers des Deutschen Fußballs. Sie haben oft einfach Pech – und werden dann belächelt. Letzten Samstag zum Beispiel gab die Lautsprecher-Anlage im Grünwalder ihren Geist auf, rein zufällig kurz vor dem Spiel der Löwen gegen Viktoria Köln. Natürlich hätte das auch passieren können, wenn die zweite Mannschaft der Bayern auf Giesings Höhen spielt. Aber der Zufall ist eben kein Sechziger-Fan. Der Einlass verzögerte sich um anderthalb Stunden. Plötzlich standen 15 000 Fußballfans in Giesing herum, während sich die Blauen von den Roten, also in diesem Fall von der Feuerwehr, Megaphone liehen, um gegebenenfalls sicherheitsrelevante Durchsagen machen zu können. Seitdem schmunzeln wieder alle über die Löwen. Giesings Wirte haben mittlerweile ihre Vorräte wieder aufgefüllt und planen jetzt eine Dankwallfahrt für den technischen Defekt.
Das Stadionerlebnis am letzten Samstag glich einer Zeitreise: Laute Sprechchöre, aber kein Lautsprecher – so muss das gewesen sein im Grünwalder Stadion, als der Beckenbauer mit seinen Bayern gegen 1860 verlor. Die Eckbälle wurden einfach ausgeführt – und nicht von irgendeiner Firma präsentiert. Die Torschützen musste man selbst erkennen. Aber siehe da: Fußball geht auch pur. Nur für den 19-jährigen Moritz Bangerter war es schade. Der durfte, nach Jahren in der Löwen-Jugend, am Samstag sein Profi-Debüt feiern – und wurde nicht einmal angesagt, als er das Feld betrat. Schon allein deshalb wünsche ich ihm viele weitere Spiele für die Sechziger.
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