Strampeln für die „Radvolution“

von Redaktion

VON MARIE THERES WANDINGER

Es gibt kein schlechtes Wetter, aber es gibt wichtige Anliegen. So ungefähr müssen das gestern Tausende von Radlern gesehen haben, die trotz winterlicher Temperaturen, Regen, Graupel und Schnee nach München strampelten. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen. Sie waren auf Gefährten aller Art unterwegs, vom normalen Radl über den elektrisierten Lastesel bis hin zum vollverkleideten flachen Renner. Hintergrund: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hatte eine Radsternfahrt organisiert. Damit wollte der Club zeigen: Vielen Leuten ist das Radl wichtig –und die stehen dafür ein, dass Projekte wie zum Beispiel neue Radwege schneller fertig werden sollen.

Strampeln mit politischem Anspruch also – und mit unmittelbarer Wirkung auf den Münchner Verkehr. Sogar ein Stück der Autobahn A95 wurde zeitweise gesperrt. Insgesamt 800 Kilometer autofreie Strecke und 15 einzelne Radl-Demozüge standen gestern am Mittag und frühen Nachmittag auf dem Programm. Elf Züge kamen aus dem näheren oder weiteren Münchner Umland, etwa aus Rosenheim, Erding oder Augsburg. Vier starteten in München. Nach Schätzungen des ADFC nahmen insgesamt 5000 Radler teil, sie wurden von rund 700 Polizisten begleitet.

Der Höhepunkt war die gemeinsame Fahrt auf der A95, die für etwa eine Stunde gesperrt war. Von der Fürstenrieder Straße aus fuhren die Radler über die Ausfahrt Kreuzhof auf die Autobahn auf. Von dort radelten alle Teilnehmer stadteinwärts (auf der stadtauswärts führenden Fahrbahn) weiter über den Mittleren Ring zum Luise-Kiesselbach-Platz und wieder zurück. Anschließend sammelten sich alle um 15.30 Uhr am Königsplatz zur Schlusskundgebung. Dort wurde der Ruf nach einer „Radvolution“ laut, also einem fahrradfreundlichen Wandel in den Städten.

Hintergrund der Aktion: Den Radlern geht’s zu langsam mit dem Fortgang der Stadtprojekte. Sie verweisen darauf, dass der Stadtrat zugesagt hat, Maßnahmen bis 2025 umzusetzen. „Das ist aber sehr unwahrscheinlich. Die Umsetzung gestaltet sich schleppend“, sagt Martina Tollkühn, Pressesprecherin des ADFC. Der Ausbau des Altstadtrings sei bis jetzt zum Beispiel nur abschnittsweise realisiert.

Ein aktueller Brennpunkt sei zudem die Lindwurmstraße, da sich die Unfälle wegen steigender Radfahrerzahlen häufen (wir berichteten). Hier bestehe laut Tollkühn dringender Handlungsbedarf. Breitere Fahrwege und Tempo 30 sollen Abhilfe schaffen. Das Entfallen von Parkplätzen und Fahrbahnen sei unumgänglich. Nur so könne ein lückenloses Radnetz entstehen. Allerdings: Gerade dieses Projekt ist besonders umstritten. Den Interessen der Radler stehen Bedenken von Anwohnern und Geschäftsleuten entgegen, die den Wegfall von Parkplätzen bemängeln.

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