Keine Angst vor dem Abi

von Redaktion

Morgen starten die Prüfungen in Bayern – Expertinnen-Tipps gegen Stress

Die Schüler sind nicht weniger belastbar als früher, da sind sich alle Expertinnen einig. Aber der Druck nimmt zu. Diplom-Psychologin und Teamleiterin Katharina Oßwald vom Evangelischen Beratungszentrum München, kurz ebz, zählt auf: „Nicht ohne Grund macht heuer der letzte G8-Jahrgang Abi. Dazu kommen die Nachwehen der Corona-Pandemie, die bis heute psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Sozial- und Prüfungsängste massiv ansteigen lassen.“ Auch die Angst um unser Klima prägt. Wie schiebe ich diese Brocken beiseite, um das Abi zu schaffen? Morgen beginnt es in Bayern im Fach Deutsch.

Schulpsychologin Michaela Schrage und Diplom-Psychologin Petra Bokowski vom Schulpsychologischen Dienst der Landeshauptstadt versuchen, die Schüler „mit der Angst zu versöhnen“, sprich: „Angst gehört zum Leben und kann lebensrettend sein. Auch in Prüfungs-Situationen hat sie ihre Berechtigung, weil sie uns leistungsfähiger macht und schneller denken lässt. Und: Viele empfinden auch das Wissen beruhigend, dass es den Mitschülern wahrscheinlich genau gleich geht.“

Das bestätigt auch Katharina Oßwald. Sie gibt Tipps, wie die Eltern auf ihren Nachwuchs einwirken können: „Erweitern Sie den Fokus, meiden Sie den Leistungs-Tunnelblick. Gönnen Sie Ihrem Kind Auszeiten und Pausen, sie sind wichtig zum Regenerieren.“ Natürlich sind die Eltern nicht mehr die primären Ansprechpartner, aber gerade kleine Gesten zeigen Liebe. „Einen Glücksbringer in der Schultasche, eine schöne Brotzeit. Zeigen Sie dem Kind, dass Sie es für das lieben, was es ist und nicht für das, was es leistet.“

Falls vor oder während der Prüfung plötzlich die große Flatter losgeht, empfiehlt Oßwald die „Fünf-vier-drei-zwei-eins-Regel“. Die geht so: Man sucht im Raum fünf Dinge und zählt sie innerlich auf. Dasselbe mit Geräuschen und Gefühlen (etwa: Kribbeln meine Fußsohlen, jucken meine Augen?). Dann das Ganze von Vorne, jetzt mit vier unterschiedlichen Dingen, dann mit drei, bis man bei je einem Aspekt landet. „Man ist damit so beschäftigt, dass für Angst kein Platz ist“, erläutert die Psychologin. Überhaupt: Alles, was ablenkt, ist gut. „Das klingt vielleicht komisch, aber auch Naseputzen gehört dazu. Das aktiviert das Hirnareal, man kann nicht gleichzeitig Angst haben.“ Und: „Reden Sie mit Freunden vor der Prüfung über Ihre Angst. Keinem geht es wirklich gut. Die Angst wird kleiner, indem man sie teilt.“

Das wissen auch die Expertinnen vom Schulpsychologischen Dienst. Michaela Schrage und Petra Bokowski empfehlen, bei den leichten Prüfungsaufgaben zu beginnen. Falls auch das schwerfällt, weil das Denken nicht recht in Gang kommen will: Atem- und Entspannungsübungen helfen. „Nehmen Sie die Situation ganz bewusst wahr und schreiben Sie sie auf.“ Manchen hilft auch, eine angenehme Situation nach der Prüfung zu planen und sie sich genau vorzustellen. Und klar: ein Schokoriegel hilft immer.

Um einen Blackout während oder kurz vor der Prüfung zu vermeiden, hilft eine gute mentale Vorbereitung. „Bereiten Sie sich möglichst konkret auf die spezielle Prüfungssituation vor. Eine gute Vorstellung des Raums und des Ablaufs gibt Sicherheit.“ Helfen kann auch eine Art Mantra: „Ich schaffe das“ etwa, das man am besten im Kopf „mit Rückblicken auf bereits erfolgreich bewältigte Prüfungssituationen verbindet“. Die grundsätzlichen Themen und Nöte, sagt das Duo, haben sich aus seiner Sicht im Lauf der Zeit nicht verändert. Es geht um Versagensängste und den Umgang mit Leistungsdruck. Aber: „Es gibt mehr Krisen in der Schule selbst, die sozialen Gefüge sind komplexer.“  mbi

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