Millionenbetrug: Hellseher vor Gericht

von Redaktion

Wie konnte das passieren? Seit gestern muss sich ein Ehepaar aus München wegen Betrugs in Millionenhöhe vor dem Landgericht München II verantworten. Der Mann (47) soll hellseherische Fähigkeiten angepriesen und einer türkischen Landsfrau (54) aus Weilheim für seine Fähigkeiten mindestens 1,2 Millionen Euro abgenommen haben. Laut Anklage stellte die Ehefrau (39) ihr Konto für die zahlreichen Überweisungen zur Verfügung.

Zu Prozessauftakt schwiegen die beiden Angeklagten. Auch ein Angebot auf Strafmilderung nahmen sie nicht an. Nur zu ihren persönlichen Verhältnissen machten sie Angaben und die waren mehr als undurchsichtig. Demnach wurde die Frau zwangsverheiratet, lebte in der Türkei bei ihrer Schwiegermutter, die sich als Wahrsagerin mit Kaffeesatzlesen ihr Geld verdiente. Sie folgte ihrem Mann nach Deutschland, schickte die drei Kinder aber in die Türkei zur Schule – angeblich, weil sie vom Ehemann der späteren Geschädigten bedroht wurde. Der 54-Jährige betrieb laut Anklage einen „gut gehenden Gartenbaubetrieb“ und wurde durch die Zahlungen ordentlich geschröpft. Denn die Frau war dem 47-jährigen Angeklagten wohl mehr als nur hörig. Sie ließ kultische oder andere geheimnisvolle Rituale durch ihn über sich ergehen, bekam ein Tuch über den Kopf und musste beten oder ein besonderes Wasser trinken, das möglicherweise mit Beruhigungstropfen versetzt war.

Die Ehefrau will davon nichts mitbekommen haben, trug deren Verteidigerin vor. Denn immer, wenn die Hellseherkundin in München ins Haus kam, durfte die Ehefrau nicht dabei sein, Als sie einmal fragte, was denn los sei, bekam sie zur Antwort: „Es gibt Sachen, da möchte die Frau meine Empfehlung haben“, trug die Verteidigerin vor.

Von den Geldeingängen auf ihrem Konto hatte sie angeblich keine Ahnung. Ihr Mann hatte nach der Heirat für sie ein Konto eingerichtet, ihr aber sofort die Bankkarte abgenommen, hieß es. Erst bei einem Notar in der Türkei erfuhr sie von den Betrugsvorwürfen, aber ihr Mann erklärte ihr, sie seien unschuldig. Das Geld habe er weitergeleitet.

Laut der Anklage überwies die Weilheimerin dem angeklagten Ehemann bereits seit 2011 Geld für seine Wahrsagerdienste – vermutlich nicht ganz freiwillig. Denn zunächst lautete die Anklage auf Erpressung, wurde dann aber auf Betrug und Beihilfe zum Betrug abgeändert. Wegen der Verjährung konnten aber nur die Fälle seit 2018 angeklagt werden. Sollten sich die Eheleute doch noch zu einem Geständnis durchdringen, drohen dem Mann vier bis fünf Jahre Haft und der Frau maximal zwei Jahre, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Die geschädigte Weilheimerin wird erst heute als Zeugin aussagen. Vielleicht gibt es dann Klarheit. ANGELA WALSER

Artikel 7 von 7