Eigentlich hatte Theo Waigel ein klares Karriereziel: Landrat in seiner bayerisch-schwäbischen Heimat Krumbach wollte der aufstrebende junge Jurist werden. Doch dann kam ihm, wie es öfter passiert in der CSU, ausgerechnet ein Parteifreund in die Quere: Bayerns Innenminister Bruno Merk machte seine Gebietsreform, löste den Landkreis kurzerhand auf – und Waigel sattelte um. Aus dem verhinderten Landrat aus dem verschlafenen Weiler Oberrohr wurde stattdessen der CSU-Chef, Bundesfinanzminister, Vater des Euro, kurz: „ein Glücksfall für Deutschland und Europa“. So würdigte CDU-Chef Friedrich Merz in seiner Laudatio den Jubilar, der am Montag im „Bayerischen Hof“ in München seinen 85. Geburtstag feierte.
Ohne die herausragende Reputation, über die die „beiden großen deutschen Staatsmänner“ Theo Waigel und Kanzler Helmut Kohl damals bei Deutschlands Freunden verfügt hätten, wäre die Deutsche Einheit vor 35 Jahren nicht möglich gewesen, lobte Merz.
100 Freunde und treue Wegbegleiter hatte der phänomenal fitte Grandseigneur der CSU eingeladen, um mit ihm zu feiern, und alle waren seinem Ruf gefolgt: der frühere Bundespräsident Horst Köhler und der Kabarettist Bruno Jonas, Ski-Legende Christian Neureuther und TV-Moderator Markus Lanz, Merkur-Verleger Dirk Ippen, der legendäre frühere bayerische Kultusminister Hans Maier und die halbe bayerische Regierung, angeführt von Finanzminister Albert Füracker und Innenminister Joachim Herrmann, dazu Fraktionschef Klaus Holetschek und der frühere CSU-Chef Erwin Huber. Und natürlich die Familie, voran die Söhne Christian und Konstantin und Tochter Birgit. Die widmeten ihr Geburtstagsgeschenk allerdings nicht dem Papa, sondern ihrer unermüdlichen Mutter Irene (66). Zu Recht, wie Theo Waigel in rührenden Worten an seine große Liebe befand, die ihn seit nunmehr 36 Jahren durchs Leben begleitet: „Liebe Irene, du bist mein unverhofftes Glück. Ohne dich wäre ich nicht mehr so fit an Leib und Seele.“
In der CSU beneiden sie ihren Ehrenvorsitzenden um sein messerscharfes Gedächtnis – aber manche fürchten auch seinen Rat, mit dem er nicht geizt, nach seinem von Hans Maier übernommenen Motto: „Man darf den Mächtigen den Widerspruch nicht versagen“.
Als CSU-Übervater Franz Josef Strauß einst tobte und in Kreuth die Trennung von der CDU plante, widersprach Waigel unerschrocken. Seinen im Alter unduldsam gewordenen engen Freund Helmut Kohl mahnte Waigel, er dürfe nicht aufhören zuzuhören. Und auch für seinen Nach-Nachfolger Markus Söder hatte Waigel mit Blick auf seinen Umgang mit Parteifreunden an diesem Montag einen Rat parat: „Lieber Markus, bleib so, wie nur du sein kannst, aber lass andere sein, wie nur sie sein können!“
Er habe, erzählte Waigel schmunzelnd seinen Gästen, vier Päpste und drei US-Präsidenten und sogar die von ihm verehrte italienische Schauspielerin Gina Lollobrigida kennenlernen dürfen („keine Sorge, Irene saß daneben“). Nur eines bedauert er bis heute: Dass er sich bei einem Fest-Dinner nicht traute, seine Tischnachbarin Lady Di um ein Autogramm zu bitten. Eine Protokollexpertin, die er an diesem Abend vertraulich um Rat bat, habe nur die Augenbrauen hochgezogen und geurteilt, das wäre doch „very unusual“ (auf Deutsch: ziemlich ungewöhnlich). Daraufhin ist etwas passiert, was im Leben von Theo Waigel nicht oft vorkam: Ihn hat der Mut verlassen.
Ans Aufhören denkt Theo Waigel mit 85 übrigens noch lange nicht. Er habe noch viel vor, kündigte er seinem Freund Friedrich Merz an: „Ich will im nächsten Jahr als altes Schlachtross nochmal in die Wahlschlacht ziehen. Und ich würde das gerne an deiner Seite tun.“