Gottes Segen über dem großen Glück

von Redaktion

Bei der Aktion „einfach heiraten“ bot die evangelische Kirche gestern Spontan-Trauungen an

Feierlich und trotzdem ganz unkompliziert: Zahlreiche Paare haben sich bei der Aktion „einfach heiraten“ in evangelischen Kirchen trauen oder segnen lassen. Den 24.04.24 als Hochzeitsdatum wollten sie sich nicht entgehen lassen. Strahlende Gesichter und Tränen der Rührung – Emotionen im Aprilwetter-Modus.

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“: Klaus Kröger zögert keine Sekunde und küsst seine Ingrid, mit der er gerade in der evangelischen Christuskirche die Ringe getauscht hat, zärtlich. Liebe kennt keine Grenzen und kein Alter – das wird bei dieser Trauung, die Dekan Christoph Jahnel vor der kleinen Schar der Hochzeitsgäste hält, sichtbar und spürbar. Der 87-jährige Frankfurter und die 84-jährige Münchnerin hatten ihre langjährigen Ehepartner vor vier, fünf Jahren verloren. Vor einem Jahr fanden sie zueinander – übers Internet. „Die Zeit, die uns noch bleibt, wollen wir gemeinsam als Mann und Frau, nicht als Lebensabschnittsgefährten, verbringen“, sagt Kröger – und mit Gottes Segen.

Nach dem Treueversprechen können beide die Tränen nicht zurückhalten. Der frischgebackene Ehemann ist – ganz Gentleman – gut vorbereitet, auch für seine Frau hat er ein Taschentuch parat. Die Tränen werden abgewischt, beide halten sich fest an den Händen. „Wir wollten nach dem Tod unserer Partner aus dem Loch wieder raus“, berichtet der pensionierte Maschinenbau-Ingenieur und Projektmanager. Sie wagten den Schritt zu einer Online-Partnervermittlung und trafen sich vor einem Jahr das erste Mal in Bad Windsheim. „Es hat sofort klick gemacht. Mit Dir will ich diese Etappe meines Lebens nun weitergehen“, zitiert der Dekan aus dem Traugespräch, das wenige Minuten zuvor im Pfarrhaus stattgefunden hatte.

Trotz ihres Alters strahlen die Brautleute Energie und Tatendrang aus. Sonnengebräunt vom gerade erlebten Segeltörn rund um Korfu stehen sie nach der Segensfeier im Kreis von Verwandten und Freunden. Ihre Familien müssen sich erst kennenlernen. Aber als zu Weihnachten Klaus Kröger das erste Mal bei Ingrid Weininger in München verbrachte, stellte ihre 57-jährige Tochter ihn vor: „Das ist mein neuer Papa.“ Dass die evangelische Kirche ihnen nun eine unkomplizierte und unbürokratische Feier ermöglicht, ist für das Paar ein Segen.

Gottes Segen erbitten auch Caroline (55) und Uwe Knelleken (57) aus Ottobrunn. „Wir haben heute vor 32 Jahren geheiratet“, berichtet die strahlende Ehefrau. „Jetzt wollen wir unser Eheversprechen erneuern, weil wir so viel Glück haben…“ – „…und weil es auch passt“, ergänzt ihr ebenso fröhlicher Mann. Beide sind zwar aus der evangelischen Kirche ausgetreten, aber das Angebot für eine unkonventionelle Segensfeier fanden sie unwiderstehlich – noch dazu an ihrem Hochzeitstag.

Im vergangenen Jahr hatte die evangelische Landeskirche erstmals zur spontanen Hochzeit eingeladen (wir berichteten). Eine Möglichkeit, mit vielen Menschen, auch der Kirche Fernstehenden, wieder in Kontakt zu kommen. Allein in der Christuskirche waren damals 56 Paare erschienen: standesamtlich Verheiratete, frisch Verliebte, Jubelpaare und queere Paare. In diesem Jahr haben sich 29 Paare vorangemeldet, weitere kommen spontan. Sie alle sollen die Gelegenheit bekommen, Verpasstes nachzuholen und sich das Ja-Wort zu geben. Damit die Hochzeit rechtlich gültig ist, mussten die Paare aber schon standesamtlich getraut sein. In ganz Bayern stellten heuer mehr als 50 evangelische Kirchengemeinden Heiratswilligen, denen der kirchliche Segen für die Liebe viel bedeutet, ihre Räume zur Verfügung – dazu Blumenschmuck, Musik und einen kleinen Umtrunk.

„Klaus ist sensibel, er ist zupackend, direkt, sportlich, gesund und warmherzig – da ist so viel, was ich an ihm schätze“, hat die 84-jährige Ingrid Weiniger dem Dekan im Vorgespräch verraten. Der Bräutigam gerät ebenso ins Schwärmen, wenn er von seiner Frau spricht. „Sie ist so warmherzig und offen, da konnte ich gar nicht anders, als mich in sie zu verlieben.“ Beide bringen, so empfinden sie es, „die Quintessenz unseres langes Lebens in diese Beziehung ein: ganz viel Liebe, ganz viel Weisheit, ganz viel Lebenserfahrung“. Und darüber wacht nun auch noch der Segen Gottes. CLAUDIA MÖLLERS

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