Stadt warnt vor Pflegeschock

von Redaktion

Die monatliche Eigenbeteiligung für einen Platz im Pflegeheim beträgt 2576 Euro im bundesdeutschen Durchschnitt. Schon diese Summe ist für viele kaum zu stemmen – und es wird noch viel teurer. Spätestens kommendes Jahr werden die Heimbewohner oder deren Angehörige nochmals mehr zahlen müssen. Wie viel das sein wird, weiß man noch nicht, aber: „Die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen durch die Eigenanteile wird dieses Jahr voraussichtlich weiter massiv steigen.“ So warnt die Stadt München. Spätestens 2025 werde die diesjährige Beitragserhöhung „zur Finanzierung der Pflegeversicherung nicht mehr ausreichen“.

OB Dieter Reiter (SPD) kritisiert, dass die Bundesregierung viele Vorhaben nicht umsetzt, die im Koalitionsvertrag stehen. Auch die pflegenden Angehörigen müssen dringend besser entlastet werden, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. „Hier fehlen in Bayern – anders als in anderen Bundesländern – beispielsweise verschiedene Modelle und vor allem auch regionale Angebote der Nachtpflege.“ Die Stadt fordert eine Pflege-Vollversicherung mit gedeckelter Eigenbeteiligung. Hintergrund ist die Erhöhung des Gehalts des Pflegepersonals Anfang des Jahres – was niemand kritisieren wird. Mindestens 340 Euro mehr im Monat stehen im neuen Tarifvertrag.

Pflege-Experte Claus Fussek (71) begrüßt die Lohnerhöhung für Pflegekräfte ausdrücklich. Er ist zwar mittlerweile im „Unruhestand“, aber ihn beschäftigt das Thema Pflege seit Jahrzehnten. „Leider tritt niemand in meine Fußstapfen“, sagt er. „Pflege ist und bleibt ein Tabu-Thema.“ Er betont, dass niemand seinen Pflegeplatz räumen müsse, wenn er die Eigenbeteiligung nicht mehr stemmen kann. „Das übernimmt der Staat. Aber ich betone: Der Staat sind wir. Wir müssen uns endlich für die Schutzbedürftigsten in unserer Gesellschaft einsetzen – für die Kinder und für die Alten.“ Es helfe nur, das System umzustellen: zum Beispiel die Pflegebeiträge zu erhöhen. „Ich sage das ganz ohne Zynismus, aber wenn sich in den nächsten Jahren nichts ändert, dann wird über aktive Sterbehilfe nachgedacht werden.“

Eine 24-Stunden-Pflege ist mittlerweile nicht mehr teurer als ein Platz im Pflegeheim. Vorteile: Der Pflegebedürftige bleibt in seinen vier Wänden, und die Angehörigen können besser kontrollieren, wie gepflegt wird. Transparenz in der Qualität eben – was es in Heimen viel zu wenig gibt, kritisiert Fussek. M. BIEBER

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