Multikulti in Reinform: die Fußballmannschaft des FC Bayern München.
Michael Shin, Pfarrvikar St. Maximilian.
Nancy Sullivan vom Münchener Kammerorchester ist aus den USA.
Uwe Conrad (64) und Samba Soumare (28) vom Hausmeisterteam im Hofbräuhaus.
IT-Spezialistin Brigitte Sebureze.
Taxler Isaak Cissé stammt aus dem Senegal. © Jantz, Ganslmeier, Hofbräuhaus, imago
Die ausländerfeindlichen Gesänge von Sylt schocken die Nation! Junge Partygäste hatten in einer Luxusdisko auf der Nordseeinsel über einen Hit des Italieners Gigi D’Agostino „Ausländer raus“ gegrölt (wir berichteten). Auch Münchner sollen unter den Beteiligten gewesen sein. Dabei ist unsere Stadt ohne Vielfalt nicht denkbar. Von den rund 1,5 Millionen Münchnern haben knapp die Hälfte Wurzeln in anderen Ländern: Sie kommen aus 190 Nationen, leben und arbeiten hier und halten die Stadt zusammen. Einige Beispiele.
Stadt München: Die Stadt beschäftigt 43 000 Menschen aus 116 verschiedenen Nationen. Insgesamt besitzen 6714 von ihnen keinen deutschen Pass. „Ohne ihre Beschäftigten mit Einwanderungsgeschichte würde die Stadtverwaltung nicht funktionieren“, sagt Personalreferent Andreas Mickisch.
Die Bereiche mit dem größten Anteil an Mitarbeitern aus anderen Ländern sind Jobs in Erziehung (25,7 Prozent), Wirtschaft (16,4 Prozent) sowie Maschinen- und Metallbau (15,5 Prozent). Brigitte Sebureze (51) ist studierte Elektrotechnikerin aus Ruanda und lebt seit über 20 Jahren in München: „Mir gefällt die Freiheit an meinem Beruf und die kulturelle Vielfalt in der Stadt“, sagt sie. Als Projektverantwortliche kümmert sie sich im IT-Referat um Themen wie Digitalisierung.
Gastronomie: „Ohne die Menschen mit Migrationshintergrund könnten wir zusperren“, sagt Christian Schottenhamel, der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga für München. Er schätzt, dass in München rund 70 Prozent der Beschäftigten im Gastgewerbe einen Migrationshintergrund aufweisen.
Hofbräuhaus: Das zeigt sich auch beim Hofbräuhaus. Deutlich über die Hälfte der Mitarbeiter hat Wurzeln im Ausland. „Vielfalt gehört für uns selbstverständlich dazu“, sagt Wirt Wolfgang Sperger. Dazu trägt auch Hausmeister Samba Soumare (28) bei, der ursprünglich aus Senegal stammt: „Ich mag es einfach, im Team zu arbeiten.“ Er und sein Vorgesetzter, Haustechniker Uwe Conrad (64), harmonierten perfekt. Soumare will irgendwann dessen Posten übernehmen, wenn Conrad in ein paar Jahren in Rente geht.
Hofbräu München: Auch bei Münchens Traditionsbrauerei sind Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln nicht wegzudenken. Rund ein Viertel der 140 Mitarbeiter sind Zuagroaste – die meisten arbeiten in der Technik und Logistik.
Kirche: Jeder fünfte Priester ist aus dem Ausland. Wie Michael Shin, der seit 2020 katholischer Pfarrvikar in St. Maximilian ist und Münchens berühmtesten Geistlichen unterstützt, Pfarrer Rainer Maria Schießler. Ohne den gebürtigen Koreaner könnte Schießler seine Arbeit in der Katholischen Erziehergemeinschaft nicht machen. Shin hatte von 2002 bis 2010 in München studiert, lebte im Pfarrhaus und promovierte. Er mag an München das Gefühl von Freiheit.
Orchester: Gleich 15 verschiedene Nationalitäten bietet das Münchener Kammerorchester auf – bei 26 Orchesterstellen. Nancy Sullivan kommt aus New Jersey (USA) und wollte wegen der Kultur und Klassik schon immer nach Europa. Am Salzburger Mozarteum startete sie 1997 ihre Ausbildung. „Ich mag an München, dass man das Leben vielseitiger gestalten kann als in den USA. Die Lebensqualität ist höher, ohne superreich sein zu müssen.“
Taxi: Taxler-Legende Isaak Cissé stammt aus dem Senegal und ist vor fast 50 Jahren nach München gezogen. Der Grund: Franz Beckenbauer und der FC Bayern. „München ist meine Heimat, wie auch der Senegal. Aber jedes Mal, wenn ich dort bin, langt es mir wieder nach zwei Wochen. Dann mag ich zurück“, sagt der glühende Bayern-Fan auf Bairisch. Hunderte Taxler fehlen in München. Und bald noch einer mehr, wenn der 70-Jährige aufhören sollte. Einige Zahlen der Industrie- und Handelskammer: Jeder neunte Beschäftigte hat einen Pass aus einem anderen EU-Land. Von insgesamt 970 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Münchens waren 2023 allein schon 112 000 aus anderen EU-Staaten.
Selbstständige: Haris Dulic (37) hat einen Gartenbau- und Hausmeisterservice-Betrieb. Seit 2012 lebt der Bosnier in Deutschland. „Ich war als Kind schon viel hier, und ich wollte immer hierher zurück.“ Der Familienvater arbeitet rund 50 Stunden in der Woche, steht zum Winterdienst um 3.30 Uhr auf, im Sommer um 6 Uhr. „Um sieben bin ich aus dem Haus.“
Pflege: Bei der 24-Stunden-Pflege kommen rund 90 Prozent aus dem Ausland, vorwiegend aus Osteuropa. Aber auch in Heimen wäre der Pflege-Kollaps längst Wahrheit. Die Caritas-Altenheim-Chefin Doris Schneider sagt: „50 Prozent unserer Belegschaft hat keinen deutschen Pass, von den anderen 50 Prozent haben sehr viele einen Migrationshintergrund. Ohne unsere ausländischen Mitarbeitenden könnten wir unsere Betriebe gar nicht führen.“
FC Bayern: Von den 35 Spielern des aktuellen Kaders kommen 18 nicht aus Deutschland; von den übrigen 17 haben acht neben der deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft. Der Name der Initiative „Rot gegen Rassismus“ wird gelebt. Präsident Herbert Hainer sagt: „Der Sport vermittelt den Menschen, wie wichtig es ist, als Team zu agieren – ganz egal, welchen Hintergrund jemand hat.“
BMW: Kulturelle Vielfalt ist „notwendig und wichtig für den Geschäftserfolg“, sagt eine Sprecherin. Im Münchner Werk arbeiten Menschen aus über 50 Nationen zusammen. BMW braucht Fachkräfte aus der ganzen Welt nicht nur wegen ihrer Arbeitskraft, sondern auch, um sich in internationale Kunden hineinzuversetzen.