Er muss seinen Posten räumen: Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner, hier beim Platzkonzert. © Achim Schmidt
Christian Scharpf ist Blasmusiker, spielt Klarinette. OB Reiter (unten Mitte) und SPD-Chef Köning wollen, dass er künftig auch beim Oktoberfest den Ton angibt.
Christian Scharpf mit seiner Familie 2021. Der 52-Jährige ist noch OB von Ingolstadt und soll neuer Wirtschaftsreferent in München werden. © Cornelia Hammer (2), Jens Hartmann
Die Aahhh-Dachterrasse im Münchner Werksviertel ist nicht schwer zu finden, auf dem Gebäude prangen großflächig, auf Höhe des vierten Stockwerks, die Buchstaben „Aahhh“. Ganz unten steht „Puh“. Und damit ist die Pressekonferenz am Dienstagvormittag auch gut zusammengefasst.
Aahhh – die Erkenntnis: Ingolstadts OB Christian Scharpf (SPD) soll neuer Referent für Arbeit und Wirtschaft und damit auch Wiesn-Chef werden. Das haben OB Dieter Reiter und SPD-Chef Christian Köning auf besagter Dachterrasse offiziell bekannt gegeben. Die SPD hat das Vorschlagsrecht für den Posten. Unsere Zeitung hatte bereits im Mai exklusiv über die Personalie berichtet. Das hatte vor allem in Ingolstadt ein enormes Medienecho ausgelöst, auch politisch stand Scharpf fortan unter Druck, sich zu seiner Zukunft zu bekennen. Bis gestern schwieg der 52-Jährige. Jetzt kann er erstmal durchatmen. Puh!
Scharpf ist gebürtiger Ingolstädter, studierte in München Rechtswissenschaften. Von 2004 bis 2020 war er für die Landeshauptstadt tätig – erst in der Rechtsabteilung des Direktoriums, danach knapp drei Jahre als persönlicher Mitarbeiter des damaligen OB Christian Ude und ab 2012 als Stadtdirektor im Direktorium. Seit 1. Mai 2020 ist er OB in Ingolstadt.
Münchens OB Reiter und Scharpf kennen sich, immer wieder hatten sich die beiden ausgetauscht, „über die Staatsregierung geschimpft“, verriet Reiter. Und bei einem dieser Treffen hat Scharpf Reiter dann mitgeteilt, bei der Kommunalwahl 2026 nicht mehr als OB in Ingolstadt kandidieren zu wollen – aus familiären Gründen wolle er wieder zurück nach München. Denn Scharpf ist Vater von vier Kindern (zwei, sechs, neun, elf). Und seine Familie lebt nach wie vor in der Landeshauptstadt, der 52-Jährige sieht sie allenfalls an Wochenenden und Feiertagen. Die Aufgabe in Ingolstadt habe ihm sehr viel Spaß gemacht, sagte Scharpf. „Ich war und bin sehr gerne OB dort. Aber der Job kostet auch seinen Preis.“
Für OB Reiter war nach dem Gespräch relativ schnell klar, wo sich eine Aufgabe für den Juristen finden lässt. „Wir haben hier ja eine ziemlich spannende Stelle zu vergeben“, sagte Reiter. Scharpf sei sein Wunschkandidat, jemand, der das Rathaus in München kenne, der die Wirtschaft und die politischen Verhältnisse verstehe.
Die Referentenstelle wird formell ausgeschrieben, Scharpf wird sich bewerben müssen. Die Wahl soll im Oktober durchgeführt werden. Stimmt der Stadtrat zu (wovon auszugehen ist), würde Scharpf am 1. März die Nachfolge von Clemens Baumgärtner (CSU) antreten.
Dass die CSU wenig begeistert ist, liegt nahe. Fraktionschef Manuel Pretzl schimpfte, der Wahlvorschlag sei respektlos gegenüber Baumgärtner, der als Referent einen herausragenden Job mache. Und gegenüber den Menschen in Ingolstadt. „Wer als OB sein Amt aufgibt, sobald sich eine neue Karriere-Chance ergibt, nimmt den Wählerwillen offenbar nicht besonders ernst.“ Scharpf wird sich beweisen müssen. Aahhh oder Puh? SASCHA KAROWSKI