Verena Dietl, Dieter Reiter und Dominik Krause: Das Bürgermeister-Trio beim Christopher Street Day. © Achim Schmidt
Hunderttausende kamen zur Parade des diesjährigen Christopher Street Day in München. Mehr als 200 Teilnehmer-Organisationen legten eine 3,7 Kilometer lange Strecke zurück. © Stefan Puchner, dpa
„Gefühlt war die ganze Stadt auf den Beinen“, sagt Maria Mayer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern. 325 000 Menschen haben am Wochenende ausgelassen den diesjährigen Christopher Street Day (CSD) gefeiert. Er fand heuer unter dem Motto „Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts“ statt. Mit Lkw, Lastenrädern und zu Fuß ging es vom Mariahilfplatz bis zum Karolinenplatz. Dabei nahmen neben queeren und sonstigen kleinen und großen Organisationen auch Firmen wie Amazon oder die Allianz teil.
Von den schwulen Schwuhplattlern in Lederhosen über lesbische Mütter bis hin zu Trans-Jugendlichen jeglicher Couleur war alles vertreten. Entlang der gesamten Route standen Leute und bestaunten das bunte Treiben. Die Lage war nach Polizeiangaben friedlich, obwohl auch konkurrierende politische Standpunkte vertreten waren. So waren neben Israel-Flaggen auch palästinensische Solidaritätsbekundungen zu sehen. Die Fraktionsvorsitzende der Rathaus-SPD, Anne Hübner, schrieb auf X (ehemals Twitter): „Den Wagen hinter uns hatte die DKP (samt Palästinaflaggen). Da hätte der CSD ganz bestimmt auch die CSU verkraftet.“
Die Union hatte heuer wieder nicht mit eigenem Wagen bei der Parade mitfahren dürfen – mit Hinweis auf die Debatte nach Markus Söders Gender-Verbot. Der Ministerpräsident ließ daraufhin heuer keine Regenbogenflagge an der Staatskanzlei hissen. Trotzdem war Söder am Wochenende beim CSD präsent, nämlich als lebensgroßer Papp-Aufsteller, den Deutsche-Eiche-Wirt Dietmar Holzapfel zur Parade mitbrachte.
Andere CSU-Mitglieder wie Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner und Fraktions-Chef Manuel Pretzl ließen sich nicht abhalten und fuhren am Samstag einfach auf dem Wagen des amerikanischen Generalkonsulats mit. „Jedes Jahr ist es uns eine große Freude, beim CSD dabei zu sein – und wir haben jetzt die Möglichkeit, die bayerischen, deutschen und amerikanischen Werte von Demokratie und Menschenrechten zu unterstützen“, erklärte Generalkonsul Timothy Liston. Und: „Alle sollen die Chance haben mitzumachen!“ Baumgärtner meinte, er lasse sich nicht ausgrenzen – und er lasse es sich auch nicht nehmen, mit Münchens schwuler Community zu feiern. Pretzl dagegen hatte zwar nach eigenen Aussagen im Vorfeld „mit sich gerungen“, denn „die Gespräche mit den Veranstaltern vorab waren nicht von gegenseitigem Respekt geprägt“. Doch dann habe er etliche Zuschriften aus der queeren Community bekommen und sich am Ende dazu entschlossen, die Einladung auf den Wagen von Konsul Liston anzunehmen.
Abgesehen davon waren die Veranstalter um Vielfalt bemüht, was auch auf der Hauptbühne am Marienplatz deutlich wurde. Dort traten nicht nur Dragqueens und schwule Hip-Hopper auf, sondern am Sonntag auch der katholische Priester Wolfgang Rothe. „Mit ziemlicher Sicherheit bin ich der erste römisch-katholische Priester, der jemals hier auf der Hauptbühne des Münchner CSDs stehen und das Wort ergreifen durfte“, verkündete er. „Ich kann dies nicht tun, ohne gleich zu Beginn um Verzeihung zu bitten. Die katholische Kirche gehört zu den queerfeindlichsten Organisationen weltweit.“
Auf die feindliche Stimmung und vermehrte Übergriffe gegen queere Menschen hatten auch die Veranstalter des CSD im Vorfeld immer wieder hingewiesen und vor dem Zulauf bei rechten Parteien gewarnt. „Als vulnerable Gruppe spüren queere Menschen schnell, wenn Leben und Freiheit bedroht sind“, sagte zum Beispiel Thomas Niederbühl, Stadtrat der Rosa Liste. Deshalb sei es auch so wichtig, zusammenzustehen – mit der Zivilgesellschaft wie innerhalb der Community. „Jeder Angriff auf einen Teil unserer Community ist ein Angriff auf unsere queere Community als Ganzes.“
In diesem Jahr war der Christopher Street Day von deutlich mehr Transgender-Menschen geprägt als in den Vorjahren – und es gab einen Fetisch-Schwerpunkt. Vor allem Hundemasken, Fell-Kleidung und Latex-Kostüme waren sehr verbreitet. Insgesamt feierten beim diesjährigen CSD aber gut 100 000 Menschen weniger als 2023 – was vermutlich am Wetter und der Konkurrenz von Tollwood und Fußball-EM lag. „Womöglich haben auch die Sicherheitslage in einem Land, das gerade einen Rechtsruck erlebt, sowie die queerfeindlichen Übergriffe im Umfeld der bayerischen CSDs des vergangenen Jahres und die damit einhergehende Vorsicht Leute davon abgehalten, den CSD zu besuchen“, meint Niederbühl.
Nicht zuletzt feierte auch der CSD in diesem Jahr ein kleines Jubiläum. Die Party im Rathaus stieg zum 20. Mal. Im Innenhof trotzten die Gäste dem Dauerregen am Samstagabend.