MÜNCHNER FREIHEIT

Traumstadt München

von Redaktion

Es gibt für mich eigentlich nur zwei Tage, an denen ich mich regelmäßig aus München wegträume. Der eine Tag ist der Montag nach der Wiesn, wenn die Welt wieder ins normale langweilige Leben herabsteigt, der andere Tag ist, wenn der Rentenbescheid kommt, in dem etwas steht wie: „Sie arbeiten übrigens noch mehr als 20 Jahre und danach können Sie sich München niemals mehr leisten, sorry!“ Wenn dann noch parallel Fußball-EM ist und man Stars sieht, die pro Woche oder gar Tag das verdienen, was wir in einem Jahr, tja, dann kann natürlich schon passieren, was am Wochenende passiert ist.

Denn da war die Steuererklärung dran, von der ich mir Jahr für Jahr vornehme, dass ich sie besser organisiere und zum großen Spaß erkläre – ohne Erfolg. Dann sitze ich da, tackere lustlos irgendwelche Belege über gekaufte Briefmarken zusammen und denke an Zukunftsperspektiven zwischen Lottospielen in Deutschland oder als glücklicher Habenichts auf Kuba. Meine Tochter kennt diesen Blick offenbar schon, denn wie sie mich so sitzen sah, sagte sie aus dem Nichts: „Planst du schon wieder dein Leben als Bananenverkäufer in Australien?“

Ich antwortete etwas wie „Leider nein“, „Steuererklärung“ und „Glückliche Kindheit, genieß es“, doch mein Interesse am möglichen neuen Job war geweckt. Ich durchsuchte das Internet und meinen alten Schulatlas. Erste Erkenntnis: Australien ist mit fast 400000 Tonnen angebauter Bananen durchaus eine ernst zu nehmende Bananenrepublik – dagegen fällt die Hopfenernte in Bayern mit um die 30000 Tonnen im Jahr fast bescheiden aus. Zweite Erkenntnis: Bananenverkäufer in Australien haben jede Menge Spaß. Zitat aus dem Bericht einer jungen Frau über ihr „Work&Travel“ in Australien: „… es gibt sogar einen extra Pool und aufs Feiern muss man nicht verzichten. Und man hat während des Fluges eine super Sicht über das Great Barrier Reef.“

Und wenn ich es wirklich mache? In der Arbeit würden alle sagen „ich beneide dich so um den Mut“, meine Kinder würden später ein Buch schreiben „Bananenkinder – unser verrücktes Leben in Australien“ und mein Freund G., der mich stets treu auf den Weg meiner Bestimmung führen will, würde sagen: „Wenn du daran glaubst, mach es!“

So kurz ich also vor der kraftvollen Entscheidung stehe, so sehr tut mir der arme Australier bei seiner Steuererklärung leid. „Und, Daddy? Träumst du wieder von deinem Leben als Brezn-Verkäufer in Bayern?“, fragt seine Tochter. Er nickt langsam und traurig: „Ja, aber vergiss es, meine Tochter, der Traum wird nie in Erfüllung gehen! Und jetzt geh spielen am endlosen weißen Strand mit den wunderschönen Palmen und halt dich gut fest, wenn du mit den Delfinen schwimmst!“. Es hat halt nicht jeder das Glück, in München zu leben.

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