Ursula Steinmanns Kabelfernsehen wurde längst umgestellt. Deshalb wurde sie misstrauisch. © Hangen
Eigentlich dachte Ursula Steinmann, ihr Sohn komme sie besuchen – der hatte nämlich am Dienstag frei und sich angekündigt. Als es morgens um neun klingelte, drückte die Rentnerin deshalb einfach auf den Öffner. Doch aus dem Aufzug des Zwölf-Parteien-Hauses in Sendling kam ein unbekannter Mann mit Käppi und Mappe. „Grüß Gott, ich müsste ihr Kabel-Fernsehsystem überprüfen“, sagte er. Und: „Darf ich kurz in die Wohnung?“ Die 82-Jährige ist immer noch empört, als sie erzählt: „Im Infokasten hing gar kein Infobrief von der Südhausbau, unserer Vermieterin. Aber der Mann versuchte mir weiszumachen, dass ich den Aushang wohl nicht gesehen hätte. Ich habe ihn schließlich gefragt, ob er mich veräppeln will. Und dass er auf keinen Fall in die Wohnung kommt! Er machte nämlich schon einen Schritt in Richtung Schwelle.“
Was dann folgte, erbost die alte Dame noch mehr. „Der sogenannte Techniker schielte plötzlich in Richtung Aufzug. Von dort war ein Wispern zu hören. Also wartete um die Ecke wohl ein zweiter Mann! Ich spitzte die Ohren und hörte so was wie: Schluss, wir brechen ab. Daraufhin ging der falsche Techniker davon.“
Was die Betrüger nicht wissen konnten: Steinmanns Hausverwaltung hatte das Thema Kabelanschluss mit den Mietern schon Wochen zuvor besprochen. Die neuen Individual-Abonnements, die seit 1. Juli auf die alten Sammelanschlüsse folgen müssen, waren schon unterschrieben und beauftragt. Steinmann ging nach dem Vorfall sofort zu den Nachbarn, um in Erfahrung zu bringen, ob sie die Ankündigung für einen Techniker-Einsatz verpasst hatte. Doch auch die anderen Mieter hatten keinen Aushang gesehen. „An dem Tag waren von uns keine Fernsehtechniker unterwegs“, bestätigt auch die Südhausbau. „Davon abgesehen haben unsere Techniker Mitarbeiterausweise, die sie vorzeigen können.“
Steinmann meldete die Sache der Polizei. Die kam zu ihr und nahm die Geschichte auf. „Trickdiebe machen sich die Umstellung von Kabel-Sammelanschlüssen auf Individualanschlüsse zunutze, die zurzeit vonstatten geht“, sagt Gerhard Knorr, Vorsitzender der Seniorengruppe der Gewerkschaft der Polizei in Bayern. Es ist die neueste Masche, nachdem Betrüger sich bisher oft als Installateure oder Polizisten ausgegeben hatten – und dann Geld oder Schmuck aus der Wohnung stahlen.
Jetzt also der neue Trick, passend zur Änderung der Kabel-Regeln: der falsche Fernseh-Techniker. Dabei muss in Wirklichkeit bei der aktuellen Umstellung überhaupt kein Handwerker in die Privaträume. Knorr: „Diese Umstellung geschieht automatisch, es kommt dafür niemand in die Wohnung. Doch unter Senioren herrscht bei dem Thema große Unsicherheit. Unsere Ratschläge: Niemanden in die Wohnung lassen, den man nicht bestellt hat! Und falls fremde Techniker um Einlass bitten, sofort die Enkel anrufen! Die kennen sich meistens aus.“
Ob sich Fälle dieser Art in letzter Zeit häufen, konnte die Münchner Polizei nicht sagen. Für Steinmann steht jedenfalls fest: „In Zukunft frage ich nach, wer es ist, wenn es klingelt, und schaue immer erst durch den Spion, auch wenn mein Sohn zu Besuch kommen will.“