Evi Schaflitzl und Axel Schweiger unterstützen.
Neu dabei: Tafel-Helfer Ludwig Obermeier versorgt Lisa und ihre Mutter Eleonora mit Kartoffeln.
Der Ansturm ist regelmäßig groß bei der Münchner Tafel an der Großmarkthalle.
Hannelore Kiethe ist Mitgründerin und bis heute Chefin der Münchner Tafel. © Marcus Schlaf (5)
Das Tafel-Team freut sich, dass mit einer neuen Ausgabestelle jetzt weitere 146 Familien versorgt werden können.
Die Münchner Tafel hat heuer allen Grund zu feiern. Vor 30 Jahren haben engagierte Münchnerinnen den Verein „Tischlein deck dich“ gegründet. Heute gleicht die Organisation einem mittelständischen Unternehmen, das Woche für Woche 180 Tonnen Lebensmittel einsammelt und wieder verteilt. Das sind 9,4 Millionen Kilogramm pro Jahr, mit denen jede Woche weit über 20000 Tafelgäste mit Lebensmitteln versorgt werden können. Zum Jubiläum blicken wir in einer kleinen Serie auf die Gründung zurück, zeigen, wie das System der Münchner Helfer funktioniert und warum die Arbeit der Münchner Tafel so wichtig wie nie ist. Denn die Armut in unserer reichen Stadt wird immer größer.
Zwar legt die Stadt München erst in zwei Jahren einen neuen Armutsbericht vor, aber die jüngsten Zahlen aus der Befragung zur sozialen Lage sind alarmierend. Nicht nur jedes sechste Einkommen liegt in der Landeshauptstadt unterhalb der Armutsschwelle, besonders Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sowie Familien mit drei oder mehr Kindern sind betroffen. Das spiegelt sich auch in den Wartelisten der Münchner Tafel wider. Die werden länger und länger, der Ansturm immer größer. Zwischen 40 und 200 Anfragen für einen Tafelausweis gehen in der Verwaltung ein – und das jede Woche!
Deshalb hat die Münchner Tafel jetzt eine neue Ausgabestelle eröffnet. Es ist die 30.! Bereits seit 2021 werden in Pasing auf dem Gelände der Pfarrkirche Maria Schutz 1000 Bedürftige von der Münchner Tafel versorgt. So viele wie an keinem anderen Tag und anderen Ort. Deshalb gibt es dort nun auch dienstags eine Verteilstelle. Hannelore Kiethe: „Der Bedarf an weiteren Ausgabestellen wäre enorm, aber jede weitere ist für uns eine riesige Herausforderung.“ Das fängt beim Standort an, geht über die Logistik und die Waren, die benötigt werden. „Man kann leider nicht einfach sagen, wir eröffnen jetzt in Freiham eine Ausgabestelle. Wir müssen verlässlich garantieren, dass die Versorgung steht.“
In Pasing unterstützt die Gemeinde von Pfarrer Emslander die Münchner Tafel nach besten Kräften. Im Winter können die Tafelgäste in der Kirche Schutz vor Schnee und Regen suchen, im Sommer an heißen Tagen vor der Sonne. Der Parkplatz ist groß genug, dass die Transporter der Tafel die Waren gut ausladen können und die Gäste nicht eng an eng anstehen müssen. Hannelore Kiethe weiß das zu schätzen. „Wir brauchen die Partner an den Standorten, allein damit wir unser Equipment lagern können und zuverlässig über Jahre für unsere Gäste erreichbar sind.“ Die meisten kommen aus der Umgebung oder sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die 146 Familien, die jetzt für die neue Ausgabe in Pasing einen Ausweis haben, kommen aus verschiedenen Stadtteilen im Münchner Westen. Axel Schweiger, Personalvorstand: „Wir haben Einladungen an alle auf den Wartelisten in der Blumenau, in Aubing und Pasing verschickt.“
Für einen reibungslosen Ablauf gibt es hier 20 bis 25 Helfer. „Das ist Gott sei Dank kein großes Problem, Helfer zu finden“, so Axel Schweiger. Wir haben fast täglich Anfragen von Münchnern, die sich dauerhaft oder im Rahmen eines Social Days bei uns engagieren möchten. Gemeinsam mit Evi Schaflitzl, die für die Ehrenamtlichen bei der Münchner Tafel zuständig ist und erstmal die neue Ausgabe leitet – „bis sich jemand gut eingearbeitet und die Aufgabe übernehmen wird“. Die Neuen in Pasing haben Unterstützung von erfahrenen Helfern, die das System erklären und bei den ersten Malen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Marketing-Experte Ludwig Obermeier absolviert einen Social Day, für den ihn sein Arbeitsgeber freistellt. Er hat sich bewusst für die Münchner Tafel als Organisation entschieden. „Bei der Tafel kann man von der ersten Minute direkt mitanpacken und sieht auch direkt, wie die Hilfe ankommt. Das finde ich perfekt.“ Der 35-Jährige lernt von anderen Tafelhelfern, wie viele Kartoffeln eine vierköpfige Familie bekommt, wie viele Zwiebeln und wie viele Karotten. Am Ende des Tages reichen die Waren für alle. „Das hat mich schwer beeindruckt, welche Logistik hinter der Münchner Tafel steckt, wie gut alle zusammenarbeiten, aber auch, wie viel Armut es gibt. Selbst in Stadtteilen wie Pasing.“
Die neuen Tafelgäste in Pasing warten nach der Überprüfung ihrer Bedürftigkeit teilweise schon Monate auf einen Ausweis. In manchen Stadtteilen geht es auch schneller. „Wir haben uns im Februar registrieren lassen“, erzählt Lisa (17). Die Ukrainerin ist mit ihrer Mutter Eleonora (44) da. Die Familie wohnt in Hadern, braucht eine gute halbe Stunde von zu Hause bis zur Ausgabe. Sie bekommt Lebensmittel für drei Personen. Lisa hat noch eine kleine Schwester. Diana (10) ist heute nicht dabei. Der Vater lebt noch in der Heimat in Bredjansk am Asowschen Meer. Mama Eleonora lernt gerade Deutsch, möchte so schnell wie möglich eine Arbeit finden. Lisa besucht ab September die Oberstufe, sie will Zahnmedizin studieren. „Wir sind sehr dankbar, dass wir Unterstützung bekommen. So ein System sollte es überall geben“, findet das Mädchen.
„Wenn der Bedarf an Ausgaben wächst, ist das leider kein gutes Zeichen, in welche Richtung sich unsere Stadt entwickelt“, erklärt ein Helfer. Hannelore Kiethe und die 1000 Ehrenamtlichen, die jede Woche zuverlässig bei Wind und Wetter da sind, werden die Münchner in Not auch in Zukunft mit Lebensmitteln unterstützen. So wie es seit 30 Jahren der Fall ist.
Happy Birthday, liebe Münchner Tafel!
DORIT CASPARY