Wo die Trauer Raum findet

von Redaktion

Erzbistum eröffnet Trauerpastorales Zentrum am Ostfriedhof – Trost und Hilfe für Angehörige

Offen für alle: Die Symbole vieler Glaubensrichtungen sind vor Ort vorhanden.

Modern, freundlich und offen für alle: das Trauerpastorale Zentrum am Ostfriedhof in der St.-Martin-Straße 39.

Im lichtdurchfluteten „Haus am Ostfriedhof“: (v.l.n.r.) Kardinal Marx, Sonja Eichelbaum, Leiterin des Hauses, und Projektleiter Ulrich Keller. © Astrid Schmidhuber

„Mit dem Tod eines nahen Menschen kommt Chaos in ein Leben. Du musst dieses Chaos nicht ordnen, Du muss ihm Raum geben.“ Diese Gedanken von Ulrich Keller, Referent für Trauerpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat, sind in eindrucksvoller Weise vom Münchner Erzbistum in Stein, Glas und Holz verwandelt worden: Kardinal Reinhard Marx hat gestern das Trauerpastorale Zentrum direkt am Ostfriedhof eingeweiht.

Zwischen dem 2022 neu errichteten städtischen Krematorium und der Friedhofsmauer liegt das „Haus am Ostfriedhof“, wo haupt- und ehrenamtliche Seelsorger über drei Etagen trauernden Menschen zuhören, sie begleiten und trösten. Es ist ein Experiment, das sich das Erzbistum 12,5 Millionen Euro kosten lässt. Denn das Haus, in dem im Erdgeschoss ein Café Besucher des Friedhofs einlädt, versteht sich als überkonfessionelles Angebot. „Das ist Seelsorge in ihrer ursprünglichen Form: da sein, mitten im Café für ein Gespräch, zum Zuhören, zum Reden“, sagt der Ideengeber. Als Keller gehört hatte, dass die Stadt München wegen der steigenden Zahl der Einäscherungen ein neues Krematorium bauen würde, war ihm klar: „An diesem Ort braucht es Seelsorge. Hier muss etwas sein, das die Menschen stärkt in dieser existenziellen Grenzsituation.“

Nun ist das Haus fertig – und das Erzbistum will laut Kardinal Marx damit zeigen, „dass wir da sind, wo die Menschen sind, wo sie leiden, schwach und einsam sind“. Marx warnte vor einer „Individualisierung, Ausgrenzung und ,Entsorgung‘ des Lebens“ am Ende: Damit sei „die letzte Antwort noch nicht gefunden.“ Der Erzbischof unterstrich: „Wir wollen ein Zeichen setzen gegen die wachsende Einsamkeit: für Gemeinsamkeit, für gemeinsames Trauern, Erinnern und neues Beginnen.“ Er sei gespannt, wie das Angebot angenommen werde, „werden auch Menschen kommen“? Das Haus sei offen für alle Menschen: „für Gläubige und Ungläubige, für alle, selbstverständlich“ und damit ein gutes Beispiel dafür, wofür Kirche auch in der Stadt da ist. „Es geht nicht darum, ob wir viele sind. Es geht darum, ob wir etwas zu sagen haben und einen Beitrag leisten für alle.“ Marx dankte insbesondere den Kirchensteuerzahlern, denn noch habe die Kirche Mittel, ein solches Projekt in Gang zu setzen.

Das lichtdurchflutete Haus, dessen große Fenster Blicke auf den Friedhof und das Krematorium freigeben, strahlt Ruhe und Klarheit aus. Es bietet viele Gelegenheiten zum Sitzen und Verweilen. Das gesamte architektonische Konzept der Architekten Lehmann, Tabillion & Castorph ist darauf ausgerichtet, Menschen in der Trauer Geborgenheit, Zuwendung und Trost zu spenden. Jeder der Räume, in denen Trauerfeiern und Gespräche stattfinden können, hat eine Decke in Form eines Daches. Die Trauernden sollen sich hier behütet fühlen und zwar mit Leib und Seele. Oder wie Keller sagt: „Die Kirche hat mitten in der Stadt einen Dorfplatz für einen lebendigen Austausch geschaffen.“

Beatrix Zurek, Gesundheitsreferentin der Stadt, zeigte sich begeistert: „Das Haus ist ein moderner Meilenstein der Trauerkultur in unserer Stadt.“ Sterben, Tod und Trauer seien in der multikulturellen Stadt einem großen Wandel unterzogen. Heute gebe es nur noch 30 Prozent Erdbestattungen, die Zahl der Feuerbestattungen steige weiter.

Die Gastronomie, die vom Münchner Inklusionsbetrieb Conviva/Cooperative Beschützende Werkstätten betrieben wird, ist bis zum 15. September täglich von 8 bis 15 Uhr, danach von 8 bis 17 Uhr geöffnet.
CLAUDIA MÖLLERS

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