MÜNCHNER FREIHEIT

Da staunt sogar die Einheimische

von Redaktion

Neulich war ich in der VS. Sagt Ihnen nix? Na ja, die Verkürzung von Villa Stuck auf VS ist echt nicht verständlich, obwohl logisch: Das prächtige Haus des Malerfürsten Franz von Stuck an der Prinzregentenstraße, das saniert wird, und das unscheinbare Haus an der Goethestraße 54 haben so gar nichts miteinander zu tun. Es ist halt jetzt nur die Zuflucht für die Museumscrew… Weit gefehlt, das findige Team hat in die wenigen Räume drei, ja drei, Ausstellungen gezaubert. Wie, kapiert man selbst dann kaum, wenn man drinsteht, so raffiniert haben es die Gestalter von ansa studios hinbekommen.

Solche Überraschungen mag ich generell. Etwas Besonderes ist es freilich, wenn ich als alte Münchnerin noch echte Entdeckungen machen darf. Eine Schau erzählt von den Ursprüngen des Gebäudes, das einst prächtig war, und dessen Nachbarin, der wunderschönen Anatomie von 1904 (man darf hineinspitzen). Klar, dass sich Lehrstuhlinhaber Otto von Bollinger in der Goethestraße 54 einquartierte. Die andere Nachbarin, heute die Medizinische Lesehalle (leise hineinspitzen), war zu Beginn des 20. Jahrhunderts indes eine ganz der Kunst geweihte Villa des Opernsängers und Gärtnerplatztheater-Intendanten Franz Josef Brakl. Ihn faszinierte die Malerei irgendwann so, dass er sein Domizil zum Kunsthaus umbauen ließ.

Die zweite Präsentation geht der weiteren Vita des Hauses Nummer 54 nach, das exemplarisch die Menschheitsverbrechen der 30er- und 40er-Jahre zwischen Zwangsarbeit (Geha-Werke) und Judenvernichtung („Zwangsraum“ vor dem KZ) spiegelt. Und nach dem Krieg steht – genauso beispielhaft – der kulturell und politisch rührige Verein „rinascita“ für die Arbeitsmigration aus Italien. (Der Eintritt ist übrigens frei; 12 bis 20 Uhr.)

Ungewohntes bieten gelegentlich die Museen, die eigentlich ihr Profil nicht verändern wollen; und das macht richtig Spaß. Wer in die Glyptothek geht, möchte die antiken Skulpturen bewundern, Ruhe finden zwischen stillem Marmor. Jetzt rütteln die Arbeiten von Luca Pignatelli an der Beschaulichkeit. Grünliches Blau leuchtet aus Stein-Weiß, bei den Ägineten sogar wandfüllend. Dicke Planen geben der Farbe Körper und Rohheit. Und doch zeigen sie die elegante „Muse“, die der Schau den Namen gibt. Hier wird ebenfalls Historie transportiert, wobei alte Fotos als Vorlagen für den Italiener eine wichtige Rolle spielen. Ähnlich gut funktioniert die kontrastreiche Verwandtschaft im Isartor.

Wer das dortige Valentin-Karlstadt-Musäum besucht, will etwas über Karl Valentin und Liesl Karlstadt erfahren, Filmszenen genießen und sich über den Winterzahnstocher freuen. Was soll in dem Kontext ein Cartoonist aus Plauen beziehungsweise Berlin? Der Titel der e.-o.-plauen-Ausstellung „Die vergessenen Rosinen“ gibt den ersten Hinweis. Valentin hätte sie zwar „Weinbeerl“ genannt, die kühne Applikation derselben per Schrotflinte in den fertigen Guglhupf hätte ihn natürlich begeistert. In seinen hinreißenden, liebevollen „Vater und Sohn“-Geschichten zeichnete plauen – eigentlich Erich Ohser (er zog 1944 den Suizid der Hinrichtung durch die Nazis vor) – unser Alltagschaos. Genau das inspirierte Karl Valentin zu seinen Bühnen-Filmsketchen.